Also ging ich in die Remise und holte den Bogen
Der Rehbock stand breit hinter den Hortensien und äugte
misstrauisch zu uns herüber
Auf dem Nachbargrundstück war ein Kindergeburtstag im Gange
und wir fürchteten dass der Gehörnte durch das Gekreische
abspringen würde
Warten
Wir verhielten uns ruhig, die Kinder auch und so ging er wieder
in die Äsung
Das Tier verhoffte am Ende des Gartens und so musste ich
pirschen um einen sicheren Schuss anzutragen
Ich hatte eine geschärfte Jagdspitze aufgezogen und kroch über
den Rasen
Dabei gingen mir verschiedene Gedanken durch den Kopf
Ich brauche dringend Speck damit das Fleisch später nicht
trocken wird im Ofen
Sahne für die Sosse müsste noch im Kühlschrank sein und
Preisselbeeren… Ja die sind aus
Aber ich könnte bei den Nachbarn borgen
Wildfleisch ohne Preisselbeeren… Niemals
Ich spannte den Bogen, zog die Schnur zur Nasenspitze
Ging ins Visier
Im Moment als ich fliegen liess stimmten die Gören nebenan ein
„Happy Birthday“ an und der Bock stieg auf
Der Pfeil krachte in die Nieren und blieb dort stecken
Mit einem Schrei und krummen Rücken hetzte das Böcklein
über die Beete, fegte über den Zaun und flüchtete auf das
Gelände dahinter
Mitten in den Kindergeburtstag
In unsrerem Wohnviertel ist die Rehpopulation in den letzten
Jahren enorm angestiegen
Die Tiere dringen in Gärten, auf die Wiesen, sogar in
Gewächshäuser und in die Parks wo sie unbehelligt alles
anfressen was duft und Farbe hat
Sie dürfen nicht gejagt werden
Und so werden es immer mehr
Geschrei
Geschirr ging zu Boden, Geheule konnte man hören und
Frauenstimmen die die Namen ihrer Kinder riefen und „Fass das
nicht an“
Ich rannte zum Kühlhaus nahm das Filetmesser und gefolgt von
zwei Kameraden die auch Hunger hatten sprangen wir über den
Zaun wobei sich einer der Burschen die Hose riss
Vor dem Nachbarhaus ein makaberes Bild
Der Bock stand gesenkten Hauptes vor dem swimming pool und
blutete wobei er Schreie von sich gab
Gleich einem Neugeborenen
Einige Kinder standen nun weinend davor und starrten ihn an
Andere wiederum liefen durch den Garten und greinten laut und
man konnte immer wieder „Mama“ hören und „Nein“
Und so
Die Mütter standen starr unter dem Partyzelt und riefen
ihren Nachwuchs bei Namen, in dem Durcheinander nicht
auszumachen
Ich stellte mich auf einen Stuhl mit dem Entbeiner in der Hand
und rief in das Durcheinander, keiner solle sich Sorgen machen,