1 Viel Wunderdinge melden die Maren alter Zeit
Von preiswerthen Helden, von großer Kühnheit,
Von Freud und Festlichkeiten, von Weinen und von
Klagen,
Von kühner Recken Streiten mögt ihr nun Wunder
hören sagen.
2 Es wuchs in Burgunden solch edel Mägdelein,
Daß in allen Landen nichts Schönres mochte sein.
Kriemhild war sie geheißen, und ward ein schönes Weib,
Um die viel Degen musten verlieren Leben und Leib.
3 Die Minnigliche lieben brachte Keinem Scham;
Um die viel Recken warben, Niemand war ihr gram.
Schön war ohne Maßen die edle Maid zu schaun;
Der Jungfrau höfsche Sitte wär eine Zier allen Fraun.
4 Es pflegten sie drei Könige edel und reich,
Gunther und Gernot, die Recken ohne Gleich,
Und Geiselher der junge, ein auserwählter Degen;
Sie war ihre Schwester, die Fürsten hatten sie zu pflegen.
5 Die Herren waren milde, dazu von hohem Stamm,
Unmaßen kühn nach Kräften, die Recken lobesam.
Nach den Burgunden war ihr Land genannt;
Sie schufen starke Wunder noch seitdem in Etzels Land.
6 In Worms am Rheine wohnten die Herrn in ihrer Kraft.
Von ihren Landen diente viel stolze Ritterschaft
Mit rühmlichen Ehren all ihres Lebens Zeit,
Bis jämmerlich sie starben durch zweier edeln Frauen Streit.
7 Ute hieß ihre Mutter, die reiche Königin,
Und Dankrat ihr Vater, der ihnen zum Gewinn
Das Erbe ließ im Tode, vordem ein starker Mann,
Der auch in seiner Jugend großer Ehren viel gewann.
8 Die drei Könge waren, wie ich kund gethan,
Stark und hohen Muthes; ihnen waren unterthan
Auch die besten Recken, davon man hat gesagt,
Von großer Kraft und Kühnheit, in allen Streiten
unverzagt.
9 Das war von Tronje Hagen, und der Bruder sein,
Dankwart der Schnelle, von Metz Herr Ortewein,
Die beiden Markgrafen Gere und Eckewart,
Volker von Alzei, an allen Kräften wohlbewahrt,
10 Rumold der Küchenmeister, ein theuerlicher Degen,
Sindold und Hunold: die Herren musten pflegen
Des Hofes und der Ehren, den Köngen unterthan.
Noch hatten sie viel Recken, die ich nicht alle nennen
kann.
11 Dankwart war Marschall; so war der Neffe sein
Truchseß des Königs, von Metz Herr Ortewein.
Sindold war Schenke, ein waidlicher Degen,
Und Kämmerer Hunold: sie konnten hoher Ehren
pflegen.
12 Von des Hofes Ehre von ihrer weiten Kraft,
Von ihrer hohen Würdigkeit und von der Ritterschaft,
Wie sie die Herren übten mit Freuden all ihr Leben,
Davon weiß wahrlich Niemand euch volle Kunde zu geben.
13 In ihren hohen Ehren träumte Kriemhilden,
Sie zög einen Falken, stark-, schön- und wilden;
Den griffen ihr zwei Aare, daß sie es mochte sehn:
Ihr konnt auf dieser Erde größer Leid nicht geschehn.
14 Sie sagt’ ihrer Mutter den Traum, Frau Uten:
Die wust ihn nicht zu deuten als so der guten:
«Der Falke, den du ziehest, das ist ein edler Mann:
Ihn wolle Gott behüten, sonst ist es bald um ihn gethan.»
15 «Was sagt ihr mir vom Manne, vielliebe Mutter mein?
Ohne Reckenminne will ich immer sein;
So schön will ich verbleiben bis an meinen Tod,
Daß ich von Mannesminne nie gewinnen möge Noth.»
16 «Verred es nicht so völlig,» die Mutter sprach da so,
«Sollst du je auf Erden von Herzen werden froh,
Das geschieht von Mannesminne: du wirst ein schönes
Weib,
Will Gott dir noch vergönnen eines guten Ritters Leib.»
17 «Die Rede laßt bleiben, vielliebe Mutter mein.
Es hat an manchen Weiben gelehrt der Augenschein,
Wie Liebe mit Leide am Ende gerne lohnt;
Ich will sie meiden beide, so bleib ich sicher verschont!»
18 Kriemhild in ihrem Muthe hielt sich von Minne frei.
So lief noch der guten manch lieber Tag vorbei,
Daß sie Niemand wuste, der ihr gefiel zum Mann,
Bis sie doch mit Ehren einen werthen Recken gewann.
19 Das war derselbe Falke, den jener Traum ihr bot,
Den ihr beschied die Mutter. Ob seinem frühen Tod
Den nächsten Anverwandten wie gab sie blutgen Lohn!
Durch dieses Einen Sterben starb noch mancher
Mutter Sohn.
20 Da wuchs im Niederlande eines edeln Königs Kind,
Siegmund hieß sein Vater, die Mutter Siegelind,
In einer mächtgen Veste, weithin wohlbekannt,
Unten am Rheine, Xanten war sie genannt.
21 Ich sag euch von dem Degen, wie so schön er ward.
Er war vor allen Schanden immer wohl bewahrt.
Stark und hohes Namens ward bald der kühne Mann:
Hei! was er großer Ehren auf dieser Erde gewann!
22 Siegfried ward geheißen der edle Degen gut.
Er erprobte viel der Recken in hochbeherztem Muth.
Seine Stärke führt’ ihn in manches fremde Land:
Hei! was er schneller Degen bei den Burgunden fand!
23 Bevor der kühne Degen voll erwuchs zum Mann,
Da hatt er solche Wunder mit seiner Hand gethan,
Davon man immer wieder singen mag und sagen;
Wir müßen viel verschweigen von ihm in heutigen Tagen.
24 In seinen besten Zeiten, bei seinen jungen Tagen
Mochte man viel Wunder von Siegfrieden sagen,
Wie Ehr an ihm erblühte und wie schön er war zu schaun:
Drum dachten sein in Minne viel der waidlichen Fraun.
25 Man erzog ihn mit dem Fleiße, wie ihm geziemend war;
Was ihm Zucht und Sitte der eigne Sinn gebar!
Das ward noch eine Zierde für seines Vaters Land,
Daß man zu allen Dingen ihn so recht herrlich fand.
26 Er war nun so erwachsen, mit an den Hof zu gehn.
Die Leute sahn ihn gerne; viel Fraun und Mädchen schön
Wünschten wohl, er käme dahin doch immerdar;
Hold waren ihm gar viele, des ward der Degen wohl
gewahr.
27 Selten ohne Hüter man reiten ließ das Kind.
Mit Kleidern hieß ihn zieren seine Mutter Siegelind;
Auch pflegten sein die Weisen, denen Ehre war bekannt:
Drum möcht er wohl gewinnen so die Leute wie das Land,
28 Nun war er in der Stärke, daß er wohl Waffen trug:
Wes er dazu bedurfte, des gab man ihm genug.
Schon sann er zu werben um manches schöne Kind;
Die hätten wohl mit Ehren den schönen Siegfried geminnt.
29 Da ließ sein Vater Siegmund kund thun seinem Lehn,
Mit lieben Freunden woll er ein Hofgelag begehn.
Da brachte man die Märe in andrer Könge Land.
Den Heimischen und Gästen gab er Ross und Gewand.
30 Wen man finden mochte, der nach der Eltern Art
Ritter werden sollte, die edeln Knappen zart
Lud man nach dem Lande zu der Lustbarkeit,
Wo sie das Schwert empfiengen mit Siegfried zu gleicher
Zeit.
31 Man mochte Wunder sagen von dem Hofgelag.
Siegmund und Siegelind gewannen an dem Tag
Viel Ehre durch die Gaben, die spendet’ ihre Hand:
Drum sah man viel der Fremden zu ihnen reiten in das
Land.
32 Vierhundert Schwertdegen sollten gekleidet sein
Mit dem jungen Könige. Manch schönes Mägdelein
Sah man am Werk geschäftig: ihm waren alle hold.
Viel edle Steine legten die Frauen da in das Gold,
33 Die sie mit Borten wollten auf die Kleider nähn
Den jungen stolzen Recken; das muste so ergehn.
Der Wirth ließ Sitze bauen für manchen kühnen Mann
Zu der Sonnenwende, wo Siegfried Ritters Stand gewann.
34 Da gieng zu einem Münster mancher reiche Knecht
Und viel der edeln Ritter. Die Alten thaten recht,
Daß sie den Jungen dienten, wie ihnen war geschehn,
Sie hatten Kurzweile und freuten sich es zu sehn.
35 Als man da Gott zu Ehren eine Messe sang,
Da hub sich von den Leuten ein gewaltiger Drang,
Da sie zu Rittern wurden dem Ritterbrauch gemäß
Mit also hohen Ehren, so leicht nicht wieder geschähs.
36 Sie eilten, wo sie fanden geschirrter Rosse viel.
Da ward in Siegmunds Hofe so laut das Ritterspiel,
Daß man ertosen hörte Pallas und Saal.
Die hochbeherzten Degen begannen fröhlichen Schall.
37 Von Alten und von Jungen mancher Stoß erklang,
Daß der Schäfte Brechen in die Lüfte drang.
Die Splitter sah man fliegen bis zum Saal hinan.
Die Kurzweile sahen die Fraun und Männer mit an.
38 Der Wirth bat es zu laßen. Man zog die Rosse fort;
Wohl sah man auch zerbrochen viel starke Schilde dort
Und viel der edeln Steine auf das Gras gefällt
Von des lichten Schildes Spangen: die hatten Stöße
zerschellt.
39 Da setzten sich die Gäste, wohin man ihnen rieth,
zu Tisch, wo von Ermüdung viel edle Kost sie schied
Und Wein der allerbeste, des man die Fülle trug.
Den Heimischen und Fremden bot man Ehren da genug.
40 So viel sie Kurzweile gefunden all den Tag,
Das fahrende Gesinde doch keiner Ruhe pflag:
Sie dienten um die Gabe, die man da reichlich fand;
Ihr Lob ward zur Zierde König Siegmunds ganzem Land.
41 Da ließ der Fürst verleihen Siegfried, dem jungen Mann,
Das Land und die Burgen, wie sonst er selbst gethan.
Seinen Schwertgenoßen gab er mit milder Hand:
So freute sie die Reise, die sie geführt in das Land.
42 Das Hofgelage währte bis an den siebten Tag.
Sieglind die reiche der alten Sitte pflag,
Daß sie dem Sohn zu Liebe vertheilte rothes Gold:
Sie könnt es wohl verdienen, daß ihm die Leute waren
hold.
43 Da war zuletzt kein armer Fahrender mehr im Land.
Ihnen stoben Kleider und Rosse von der Hand,
Als hätten sie zu leben nicht mehr denn einen Tag.
Man sah nie Ingesinde, das so großer Milde pflag.
44 Mit preiswerthen Ehren zergieng die Lustbarkeit.
Man hörte wohl die Reichen sagen nach der Zeit,
Daß sie dem Jungen gerne wären unterthan;
Das begehrte nicht Siegfried, dieser waidliche Mann.
45 So lange sie noch lebten, Siegmund und Siegelind,
Wollte nicht Krone tragen der beiden liebes Kind;
Doch wollt er herrlich wenden alle die Gewalt,
Die in den Landen fürchtete der Degen kühn und
wohlgestalt.
46 Ihn durfte Niemand schelten: seit er die Waffen nahm,
Pflag er der Ruh nur selten, der Recke lobesam.
Er suchte nur zu streiten und seine starke Hand
Macht’ ihn zu allen Zeiten in fremden Reichen
wohlbekannt.
47 Den Herrn beschwerte selten irgend ein Herzeleid.
Er hörte Kunde sagen, wie eine schöne Maid
Bei den Burgunden wäre, nach Wünschen wohlgethan,
Von der er bald viel Freuden und auch viel Leides gewann.
48 Von ihrer hohen Schöne vernahm man weit und breit,
Und auch ihr Hochgemüthe ward zur selben Zeit
Bei der Jungfrauen den Helden oft bekannt:
Das ladete der Gäste viel in König Gunthers Land.
49 So viel um ihre Minne man Werbende sah,
Kriemhild in ihrem Sinne sprach dazu nicht Ja,
Daß sie einen wollte zum geliebten Mann:
Er war ihr noch gar fremde, dem sie bald ward unterthan.
50 Dann sann auf hohe Minne Sieglindens Kind:
All der Andern Werben war wider ihn ein Wind.
Er mochte wohl verdienen ein Weib so auserwählt:
Bald ward die edle Kriemhild dem kühnen Siegfried
vermählt.
51 Ihm riethen seine Freunde und Die in seinem Lehn,
Hab er stäte Minne sich zum Ziel ersehn,
So soll er werben, daß er sich der Wahl nicht dürfe
schämen.
Da sprach der edle Siegfried: «So will ich Kriemhilden
nehmen,
52 Die edle Königstochter von Burgundenland,
Um ihre große Schöne. Das ist mir wohl bekannt,
Kein Kaiser sei so mächtig, hätt er zu frein im Sinn,
Dem nicht zum minnen ziemte diese reiche Königin.»
53 Solche Märe hörte der König Siegmund.
Es sprachen seine Leute: also ward ihm kund
Seines Kindes Wille. Es war ihm höchlich leid,
Daß er werben wolle um diese herrliche Maid.
54 Es erfuhr es auch die Königin, die edle Siegelind:
Die muste große Sorge tragen um ihr Kind,
Weil sie wohl Gunthern kannte und Die in seinem Heer
Die Werbung dem Degen zu verleiden fliß man sich sehr.
55 Da sprach der kühne Siegfried: «Viel lieber Vater mein,
Ohn edler Frauen Minne wollt ich immer sein,
Wenn ich nicht werben dürfte nach Herzensliebe frei.»
Was Jemand reden mochte, so blieb er immer dabei.
56 «Ist dir nicht abzurathen,» der König sprach da so,
«So bin ich deines Willens von ganzem Herzen froh
Und will dirs fügen helfen, so gut ich immer kann;
Doch hat der König Gunther manchen hochfährtgen
Mann.»
57 «Und wär es anders Niemand als Hagen der Degen,
Der kann im Uebermuthe wohl der Hochfahrt pflegen,
So daß ich sehr befürchte, es mög uns werden leid,
Wenn wir werben wollen um diese herrliche Maid.»
58 «Wie mag uns das gefährden!» hub da Siegfried an:
«Was ich mir im Guten da nicht erbitten kann,
Will ich schon sonst erwerben mit meiner starken Hand,
Ich will von ihm erzwingen so die Leute wie das Land.»
59 «Leid ist mir deine Rede,» sprach König Siegmund,
«Denn würde diese Märe dort am Rheine kund,
Du dürftest nimmer reiten in König Gunthers Land.
Gunther und Gernot die sind mir lange bekannt.»
60 «Mit Gewalt erwerben kann Niemand die Magd,»
Sprach der König Siegmund, «das ist mir wohl gesagt;
Willst du jedoch mit Recken reiten in das Land,
Die Freunde, die wir haben, die werden eilends besandt.»
61 «So ist mir nicht zu Muthe,» fiel ihm Siegfried ein,
«Daß mir Recken sollten folgen an den Rhein
Einer Heerfahrt willen: das wäre mir wohl leid,
Sollt ich damit erzwingen diese herrliche Maid.»
62 «Ich will sie schon erwerben allein mit meiner Hand.
Ich will mit zwölf Gesellen in König Gunthers Land;
Dazu sollt ihr mir helfen, Vater Siegmund.»
Da gab man seinen Degen zu Kleidern grau und auch bunt.
63 Da vernahm auch diese Märe seine Mutter Siegelind;
Sie begann zu trauern um ihr liebes Kind:
Sie bangt’ es zu verlieren durch Die in Gunthers Heer.
Die edle Königstochter weinte darüber sehr.
64 Siegfried der Degen gieng hin, wo er sie sah.
Wider seine Mutter gütlich sprach er da:
«Frau, ihr sollt nicht weinen um den Willen mein:
Wohl will ich ohne Sorgen vor allen Weiganden sein.»
65 «Nun helft mir zu der Reise nach Burgundenland,
Daß mich und meine Recken ziere solch Gewand,
Wie so stolze Degen mit Ehren mögen tragen:
Dafür will ich immer den Dank von Herzen euch sagen.»
66 «Ist dir nicht abzurathen,» sprach Frau Siegelind,
«So helf ich dir zur Reise, mein einziges Kind,
Mit den besten Kleidern, die je ein Ritter trug,
Dir und deinen Degen: ihr sollt der haben genug.»
67 Da neigte sich ihr dankend Siegfried der junge Mann.
Er sprach: «Nicht mehr Gesellen nehm ich zur Fahrt mir an
Als der Recken zwölfe: verseht die mit Gewand.
Ich möchte gern erfahren, wie’s um Kriemhild
sei bewandt.»
68 Da saßen schöne Frauen über Nacht und Tag,
Daß ihrer selten Eine der Muße eher pflag,
Bis sie gefertigt hatten Siegfriedens Staat.
Er wollte seiner Reise nun mit nichten haben Rath.
69 Sein Vater hieß ihm zieren sein ritterlich Gewand,
Womit er räumen wollte König Siegmunds Land.
Ihre lichten Panzer die wurden auch bereit
Und ihre festen Helme, ihre Schilde schön und breit.
70 Nun sahen sie die Reise zu den Burgunden nahn.
Um sie begann zu sorgen beides, Weib und Mann,
Ob sie je wiederkommen sollten in das Land.
Sie geboten aufzusäumen die Waffen und das Gewand.
71 Schön waren ihre Rosse, ihr Reitzeug goldesroth;
Wenn wer sich höher dauchte, so war es ohne Noth,
Als der Degen Siegfried und Die ihm unterthan.
Nun hielt er um Urlaub zu den Burgunden an.
72 Den gaben ihm mit Trauern König und Königin.
Er tröstete sie beide mit minniglichem Sinn
Und sprach: «Ihr sollt nicht weinen um den Willen mein:
Immer ohne Sorgen mögt ihr um mein Leben sein.»
73 Es war leid den Recken, auch weinte manche Maid;
Sie ahnten wohl im Herzen, daß sie es nach der Zeit
Noch schwer entgelten müsten durch lieber Freunde Tod.
Sie hatten Grund zu klagen, es that ihnen wahrlich Noth.
74 Am siebenten Morgen zu Worms an den Strand
Ritten schon die Kühnen; all ihr Gewand
War von rothem Golde, ihr Reitzeug wohlbestellt;
Ihnen giengen sanft die Rosse, die sich da Siegfried gesellt.
75 Neu waren ihre Schilde, licht dazu und breit,
Und schön ihre Helme, als mit dem Geleit
Siegfried der kühne ritt in Gunthers Land.
Man ersah an Helden nie mehr so herrlich Gewand.
76 Der Schwerter Enden giengen nieder auf die Sporen;
Scharfe Spere führten die Ritter auserkoren.
Von zweier Spannen Breite war, welchen Siegfried trug;
Der hatt an seinen Schneiden grimmer Schärfe genug.
77 Goldfarbne Zäume führten sie an der Hand;
Der Brustriem war von Seide: so kamen sie ins Land.
Da gafften sie die Leute allenthalben an:
Gunthers Mannen liefen sie zu empfangen heran.
78 Die hochbeherzten Recken, Ritter so wie Knecht,
Liefen den Herrn entgegen, so war es Fug und Recht,
Und begrüßten diese Gäste in ihrer Herren Land;
Die Pferde nahm man ihnen und die Schilde von
der Hand.
79 Da wollten sie die Rosse ziehn zu ihrer Rast;
Da sprach aber Siegfried alsbald, der kühne Gast:
«Laßt uns noch die Pferde stehen kurze Zeit:
Wir reiten bald von hinnen; dazu bin ich ganz bereit.»
80 «Man soll uns auch die Schilde nicht von dannen tragen;
Wo ich den König finde, kann mir das Jemand sagen,
Gunther den reichen aus Burgundenland?»
Da sagt’ es ihm Einer, dem es wohl war bekannt.
81 «Wollt ihr den König finden, das mag gar leicht geschehn:
In jenem weiten Saale hab ich ihn gesehn
Unter seinen Helden; da geht zu ihm hinan,
So mögt ihr bei ihm finden manchen herrlichen Mann.»
82 Nun waren auch die Mären dem König schon gesagt,
Daß auf dem Hofe wären Ritter unverzagt:
Sie führten lichte Panzer und herrlich Gewand;
Sie erkenne Niemand in der Burgunden Land.
83 Den König nahm es Wunder, woher gekommen sei’n
Die herrlichen Recken im Kleid von lichtem Schein
Und mit so guten Schilden, so neu und so breit;
Das ihm das Niemand sagte, das war König Gunthern leid.
84 Zur Antwort gab dem König von Metz Herr Ortewein;
Stark und kühnes Muthes mocht er wohl sein:
«Da wir sie nicht erkennen, so heißt Jemand gehn
Nach meinem Oheim Hagen: dem sollt ihr sie laßen sehn.»
85 «Ihm sind wohl kund die Reiche und alles fremde Land;
Erkennt er die Herren, das macht er uns bekannt.»
Der König ließ ihn holen und Die in seinem Lehn:
Da sah man ihn herrlich mit Recken hin zu Hofe gehn.
86 Warum nach ihm der König, frug Hagen da, geschickt?
«Es werden fremde Degen in meinem Haus erblickt,
Die Niemand mag erkennen: habt ihr in fremdem Land
Sie wohl schon gesehen? das macht mir, Hagen bekannt.»
87 «Das will ich,» sprach Hagen. Zum Fenster schritt
er drauf,
Da ließ er nach den Gästen den Augen freien Lauf.
Wohl gefiel ihm ihr Geräthe und all ihr Gewand;
Doch waren sie ihm fremde in der Burgunden Land.
88 Er sprach, woher die Recken auch kämen an den Rhein,
Es möchten selber Fürsten oder Fürstenboten sein.
«Schön sind ihre Rosse und ihr Gewand ist gut;
Von wannen sie auch ritten, es sind Helden hochgemuth.»
89 Also sprach da Hagen: «Soviel ich mag verstehn,
Hab ich gleich im Leben Siegfrieden nie gesehn,
So will ich doch wohl glauben, wie es damit auch steht,
Daß er es sei, der Degen, der so herrlich dorten geht.»
90 «Er bringt neue Mären her in dieses Land:»
Die kühnen Nibelungen schlug des Helden Hand,
Die reichen Königssöhne Schilbung und Nibelung;
Er wirkte große Wunder mit des starken Armes Schwung.
91 «Als der Held alleine ritt aller Hülfe bar,
Fand er an einem Berge, so hört ich immerdar,
Bei König Niblungs Horte manchen kühnen Mann;
Sie waren ihm gar fremde, bis er hier die Kunde gewann.»
92 «Der Hort König Nibelungs ward hervorgetragen
Aus einem hohlen Berge: nun hört Wunder sagen,
Wie ihn theilen wollten Die Niblung unterthan.»
Das sah der Degen Siegfried, den es zu wundern begann.
93 «So nah kam er ihnen, daß er die Helden sah
Und ihn die Degen wieder». Der Eine sagte da:
«Hier kommt der starke Siegfried, der Held aus
Niederland.»
Seltsame Abenteuer er bei den Nibelungen fand.
94 «Den Recken wohl empfiengen Schilbung und Nibelung.
Einhellig baten die edeln Fürsten jung,
Daß ihnen theilen möchte den Schatz der kühne Mann:
Das begehrten sie, bis endlich ers zu geloben begann.»
95 «Er sah so viel Gesteines, wie wir hören sagen,
Hundert Leiterwagen die möchten es nicht tragen,
Noch mehr des rothen Goldes von Nibelungenland:
Das Alles sollte theilen des kühnen Siegfriedes Hand.»
96 «Sie gaben ihm zum Lohne König Niblungs Schwert:
Da wurden sie des Dienstes gar übel gewährt,
Den ihnen leisten sollte Siegfried der Degen gut.
Er könnt es nicht vollbringen: sie hatten zornigen Muth.»
97 «So must er ungetheilet die Schätze laßen stehn.
Da bestanden ihn die Degen in der zwei Könge Lehn:
Mit ihres Vaters Schwerte, das Balmung war genannt,
Stritt ihnen ab der Kühne den Hort und Nibelungenland»
98 «Da hatten sie zu Freunden kühne zwölf Mann,
Die starke Riesen waren: was konnt es sie verfahn?
Die erschlug im Zorne Siegfriedens Hand
Und siebenhundert Recken zwang er vom Nibelungenland.»
99 «Mit dem guten Schwerte, geheißen Balmung.
Vom Schrecken überwältigt war mancher Degen jung
Zumal vor dem Schwerte und vor dem kühnen Mann:
Das Land mit den Burgen machten sie ihm unterthan.»
100 «Dazu die reichen Könige die schlug er beide todt.
Er kam durch Albrichen darauf in große Noth:
Der wollte seine Herren rächen allzuhand,
Eh er die große Stärke noch an Siegfrieden fand.»
101 «Mit Streit bestehen konnt ihn da nicht der starke Zwerg.
Wie die wilden Leuen liefen sie an den Berg,
Wo er die Tarnkappe Albrichen abgewann:
Da war des Hortes Meister Siegfried der schreckliche
Mann.»
102 «Die sich getraut zu fechten, die lagen all erschlagen.
Den Schatz ließ er wieder nach dem Berge tragen,
Dem ihn entnommen hatten Die Niblung unterthan.
Alberich der starke das Amt des Kämmrers gewann.»
103 «Er must ihm Eide schwören, er dien ihm als sein Knecht,
Zu aller Art Diensten ward er ihm gerecht.»
So sprach von Tronje Hagen: «Das hat der Held gethan;
Also große Kräfte nie mehr ein Recke gewann.»
104 «Noch ein Abenteuer ist mir von ihm bekannt:
Einen Linddrachen schlug des Helden Hand;
Als er im Blut sich badete, ward hörnern seine Haut.
So versehrt ihn keine Waffe: das hat man oft an ihm
geschaut.»
105 «Man soll ihn wohl empfangen, der beste Rath ist das,
Damit wir nicht verdienen des schnellen Recken Haß.
Er ist so kühnes Sinnes, man seh ihn freundlich an:
Er hat mit seinen Kräften so manche Wunder gethan.»
106 Da sprach der mächtge König: «Gewiss, du redest wahr:
Nun sieh, wie stolz er dasteht vor des Streits Gefahr,
Dieser kühne Degen und Die in seinem Lehn!
Wir wollen ihm entgegen hinab zu dem Recken gehn.»
107 «Das mögt ihr,» sprach da Hagen, «mit allen Ehren
schon:
Er ist von edelm Stamme eines reichen Königs Sohn;
Auch hat er die Gebäre, mich dünkt, beim Herren Christ,
Es sei nicht kleine Märe, um die er hergeritten ist.»
108 Da sprach der Herr des Landes: «Nun sei er uns
willkommen.
Er ist kühn und edel, das hab ich wohl vernommen;
Des soll er auch genießen im Burgundenland.»
Da gieng der König Gunther hin, wo er Siegfrieden fand.
109 Der Wirth und seine Recken empfiengen so den Mann,
Daß wenig an dem Gruße gebrach, den er gewann;
Des neigte sich vor ihnen der Degen ausersehn
In großen Züchten sah man ihn mit seinen Recken stehn.
110 «Mich wundert diese Märe,» sprach der Wirth zuhand,
«Von wannen, edler Siegfried, ihr kamt in dieses Land
Oder was ihr wollet suchen zu Worms an dem Rhein?»
Da sprach der Gast zum König: «Das soll euch
unverhohlen sein.»
111 «Ich habe sagen hören in meines Vaters Land,
An euerm Hofe wären, das hätt ich gern erkannt,
Die allerkühnsten Recken, so hab ich oft vernommen,
Die je gewann ein König: darum bin ich hieher
gekommen.»
112 «So hör ich auch euch selber viel Mannheit zugestehn,
Man habe keinen König noch je so kühn gesehn.
Das rühmen viel der Leute in all diesem Land;
Nun kann ichs nicht verwinden, bis ich die Wahrheit
befand.»
113 «Ich bin auch ein Recke und soll die Krone tragen:
Ich möcht es gerne fügen, daß sie von mir sagen,
Daß ich mit Recht besäße die Leute wie das Land.
Mein Haupt und meine Ehre setz ich dawider zu Pfand.
114 Wenn ihr denn so kühn seid, wie euch die Sage zeiht,
So frag ich nicht, ists Jemand lieb oder leid:
Ich will von euch erzwingen, was euch angehört,
Das Land und die Burgen unterwerf ich meinem
Schwert.»
115 Der König war verwundert und all sein Volk umher,
Als sie vernahmen sein seltsam Begehr,
Daß er ihm zu nehmen gedächte Leut und Land.
Das hörten seine Degen, die wurden zornig zuhand.
116 «Wie sollt ich das verdienen,» sprach Gunther
der Degen,
«Wes mein Vater lange mit Ehren durfte pflegen,
Daß wir das verlören durch Jemands Ueberkraft?
Das wäre schlecht bewiesen, daß wir auch pflegen
Ritterschaft!»
117 «Ich will davon nicht laßen,» fiel ihm der Kühne drein,
«Von deinen Kräften möge dein Land befriedet sein,
Ich will es nun verwalten; doch auch das Erbe mein,
Erwirbst du es durch Stärke, es soll dir unterthänig sein.»
118 «Dein Erbe wie das meine wir schlagen gleich sie an,
Und wer von uns den Andern überwinden kann,
Dem soll es alles dienen, die Leute wie das Land.»
Dem widersprach da Hagen und mit ihm Gernot
zuhand.
119 «So stehn uns nicht die Sinne,» sprach da Gernot,
«Nach neuen Lands Gewinne, daß Jemand sollte todt
Vor Heldeshänden liegen: reich ist unser Land,
Das uns mit Recht gehorsamt, zu Niemand beßer
bewandt.»
120 In grimmigem Muthe standen da die Freunde sein.
Da war auch darunter von Metz Herr Ortewein.
Der Sprach: «Die Sühne ist mir von Herzen leid:
Euch ruft der starke Siegfried ohn allen Grund in den
Streit.»
121 «Wenn ihr und eure Brüder ihm auch nicht steht zur
Wehr,
Und ob er bei sich führte ein ganzes Königsheer,
So wollt ichs doch erstreiten, daß der starke Held
Also hohen Uebermuth, wohl mit Recht bei Seite stellt.»
122 Darüber zürnte mächtig der Held von Niederland:
«Nicht wider mich vermeßen darf sich deine Hand:
Ich bin ein reicher König, du bist in Königs Lehn;
Deiner zwölfe dürften mich nicht im Streite
bestehn.»
123 Nach Schwertern rief da heftig von Metz Herr Ortewein:
Er durfte Hagens Schwestersohn von Tronje wahrlich
sein;
Daß er so lang geschwiegen, das war dem König leid.
Da sprach zum Frieden Gernot, ein Ritter kühn
und allbereit.
124 «Laßt euer Zürnen bleiben,» hub er zu Ortwein an,
«Uns hat der edle Siegfried noch solches nicht gethan;
Wir scheiden es in Güte wohl noch, das rath ich sehr,
Und haben ihn zum Freunde; es geziemt uns wahrlich
mehr.»
125 Da sprach der starke Hagen «Uns ist billig leid
und all euern Degen, daß er je zum Streit
an den Rhein geritten: was ließ er das nicht sein?
So übel nie begegnet wären ihm die Herren mein.»
126 Da sprach wieder Siegfried, der kraftvolle Held:
«Wenn euch, was ich gesprochen, Herr Hagen, missfällt,
So will ich schauen laßen, wie noch die Hände mein
Gedenken so gewaltig bei den Burgunden zu sein.»
127 «Das hoff ich noch zu wenden,» sprach da Gernot.
Allen seinen Degen zu reden er verbot
In ihrem Uebermuthe, was ihm wäre leid.
Da gedacht auch Siegfried an die viel herrliche Maid.
128 «Wie geziemt’ uns mit euch zu streiten?» sprach wieder
Gernot
«Wie viel dabei der Helden auch fielen in den Tod,
Wenig Ehre brächt uns so ungleicher Streit.»
Die Antwort hielt da Siegfried, König Siegmunds Sohn,
bereit:
129 «Warum zögert Hagen und auch Ortewein,
Daß er nicht zum Streite eilt mit den Freunden sein,
Deren er so manchen bei den Burgunden hat?»
Sie blieben Antwort schuldig, das war Gernotens Rath.
130 «Ihr sollt uns willkommen sein,» sprach Geiselher
das Kind,
«Und eure Heergesellen, die hier bei euch find:
Wir wollen gern euch dienen, ich und die Freunde
mein.»
Da hieß man den Gästen schenken König Gunthers
Wein.
131 Da sprach der Wirth des Landes: «Alles, was uns gehört,
Verlangt ihr es in Ehren, das sei euch unverwehrt;
Wir wollen mit euch theilen unser Gut und Blut.»
Da ward dem Degen Siegfried ein wenig sanfter zu Muth.
132 Da ließ man ihnen wahren all ihr Wehrgewand;
Man suchte Herbergen, die besten, die man fand:
Siegfriedens Knappen schuf man gut Gemach.
Man sah den Fremdling gerne in Burgundenland hernach.
133 Man bot ihm große Ehre darauf in manchen Tagen,
Mehr zu tausend Malen, als ich euch könnte sagen;
Das hatte seine Kühnheit verdient, das glaubt fürwahr.
Ihn sah wohl selten Jemand, der ihm nicht gewogen war.
134 Flißen sich der Kurzweil die Könge und ihr Lehn,
So war er stäts der Beste, was man auch ließ geschehn.
Es konnt ihm Niemand folgen, so groß war seine Kraft,
Ob sie den Stein warfen oder schoßen den Schaft.
135 Nach höfscher Sitte ließen sich auch vor den Fraun
Der Kurzweile pflegend die kühnen Ritter schaun:
Da sah man stäts den Helden gern von Niederland;
Er hatt auf hohe Minne seine Sinne gewandt.
136 Die schönen Fraun am Hofe erfragten Märe,
Wer der stolze fremde Recke wäre.
«Er ist so schön gewachsen, so reich ist sein Gewand!»
Da sprachen ihrer Viele: «Das ist der Held von
Niederland.»
137 Was man beginnen wollte, er war dazu bereit;
Er trug in seinem Sinne eine minnigliche Maid,
Und auch nur ihn die Schöne, die er noch nie gesehn,
Und die sich doch viel Gutes von ihm schon heimlich
versehn.
138 Wenn man auf dem Hofe das Waffenspiel begann,
Ritter so wie Knappen, immer sah es an
Kriemhild aus den Fenstern, die Königstochter hehr;
Keiner andern Kurzweil hinfort bedurfte sie mehr.
139 Und wüst er, daß ihn sähe, die er im Herzen trug,
Davon hätt er Kurzweil immerdar genug.
Ersähn sie seine Augen, ich glaube sicherlich,
Keine andre Freude hier auf Erden wünscht’ er sich.
140 Wenn er bei den Recken auf dem Hofe stand,
Wie man noch zur Kurzweil pflegt in allem Land,
Wie stand dann so minniglich das Sieglindenkind,
Daß manche Frau ihm heimlich war von Herzen hold
gesinnt.
141 Er gedacht auch manchmal: «Wie soll das geschehn,
Daß ich das edle Mägdlein mit Augen möge sehn,
Die ich von Herzen minne, wie ich schon längst gethan?
Die ist mir noch gar fremde; mit Trauern denk ich
daran.»
142 So oft die reichen Könige ritten in ihr Land,
So musten auch die Recken mit ihnen all zur Hand.
Auch Siegfried ritt mit ihnen: das war der Frauen leid;
Er litt von ihrer Minne auch Beschwer zu mancher Zeit.
143 So wohnt’ er bei den Herren, das ist alles wahr,
In König Gunthers Lande völliglich ein Jahr,
Daß er die Minnigliche in all der Zeit nicht sah,
Durch die ihm bald viel Liebes und auch viel Leides
geschah.
144 Da kamen fremde Mären in König Gunthers Land
Durch Boten aus der Ferne ihnen zugesandt
Von unbekannten Recken, die ihnen trugen Haß
Als sie die Rede hörten, gar sehr betrübte sie das.
145 Die will ich euch nennen: es war Lüdeger
Aus der Sachsen Lande, ein mächtger König hehr;
Dazu vom Dänenlande der König Lüdegast:
Die gewannen zu dem Kriege gar manchen herrlichen
Gast.
146 Ihre Boten kamen in König Gunthers Land,
Die seine Widersacher hatten hingesandt.
Da frug man um die Märe die Unbekannten gleich
Und führte bald die Boten zu Hofe vor den König reich.
147 Schön grüßte sie der König und sprach: «Seid
willkommen!
Wer euch hieher gesendet, hab ich noch nicht
vernommen:
Das sollt ihr hören laßen,» sprach der König gut.
Da bangten sie gewaltig vor des grimmen Gunther Muth.
148 «Wollt ihr uns, Herr, erlauben, daß wir euch Bericht
Von unsrer Märe sagen, wir hehlen sie euch nicht.
Wir nennen euch die Herren, die uns hieher gesandt:
Lüdegast und Lüdeger die suchen heim euer Land.
149 Ihren Zorn habt ihr verdienet: wir vernahmen das
Gar wohl, die Herren tragen euch beide großen Haß.
Sie wollen heerfahrten gen Worms an den Rhein;
Ihnen helfen viel der Degen: laßt euch das zur
Warnung sein.»
150 «Binnen zwölf Wochen muß ihre Fahrt geschehn;
Habt ihr nun guter Freunde, so laßt es bald ersehn,
Die euch befrieden helfen die Burgen und das Land:
Hier werden sie verhauen manchen Helm und
Schildesrand.»
151 «Oder wollt ihr unterhandeln, so macht es offenbar;
So reitet euch so nahe nicht gar manche Schar
Eurer starken Feinde zu bitterm Herzeleid,
Davon verderben müßen viel der Ritter kühn im Streit.»
152 «Nun harrt eine Weile (ich künd euch meinen Muth),
Bis ich mich recht bedachte,» sprach der König gut.
«Hab ich noch Getreue, denen will ichs sagen,
Diese schwere Botschaft muß ich meinen Freunden
klagen.»
153 Dem mächtigen Gunther war es leid genug;
Den Botenspruch er heimlich in seinem Herzen trug.
Er hieß berufen Hagen und Andr’ in seinem Lehn
Und hieß auch gar geschwinde zu Hof nach Gernoten
gehn.
154 Da kamen ihm die Besten, so viel man deren fand.
Er sprach: «Die Feinde wollen heimsuchen unser Land
Mit starken Heerfahrten; das sei euch geklagt.
Es ist gar unverschuldet, daß sie uns haben widersagt.»
155 «Dem wehren wir mit Schwertern,» sprach da Gernot,
«Da sterben nur, die müßen: die laßet liegen todt.
Ich werde nicht vergeßen darum der Ehre mein:
Unsre Widersacher sollen uns willkommen sein.»
156 Da sprach von Tronje Hagen: «Das dünkt mich
nicht gut;
Lüdegast und Lüdeger sind voll Uebermuth.
Wir können uns nicht sammeln in so kurzen Tagen,»
So sprach der kühne Recke: «ihr sollt es Siegfrieden
sagen.»
157 Da gab man den Boten Herbergen in der Stadt.
Wie feind sie ihnen waren, sie gut zu pflegen bat
Gunther der reiche, das war wohlgethan,
Bis er erprobt an Freunden, wer ihm zu Hülfe zög heran.
158 Der König trug im Herzen Sorge doch und Leid.
Da sah ihn also trauern ein Ritter allbereit,
Der nicht wißen konnte, was ihm war geschehn:
Da bat er König Gunthern, ihm den Grund zu gestehn.
159 «Mich nimmt höchlich Wunder,» sprach da Siegfried,
«Wie die frohe Weise so völlig von euch schied,
Deren ihr so lange mit uns mochtet pflegen.»
Zur Antwort gab ihm Gunther, dieser zierliche Degen:
160 «Wohl mag ich allen Leuten nicht von dem Leide sagen,
Das ich muß verborgen in meinem Herzen tragen:
Stäten Freunden klagen soll man des Herzens Noth.»
Siegfriedens Farbe ward da bleich und wieder roth.
161 Er sprach zu dem Könige: «Was blieb euch je versagt?
Ich will euch wenden helfen das Leid, das ihr klagt.
Wollt ihr Freunde suchen, so will ich einer sein
Und getrau es zu vollbringen mit Ehren bis ans Ende
mein.»
162 «Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried, die Rede dünkt
mich gut;
Und kann mir auch nicht helfen eure Kraft und hoher
Muth,
So freut mich doch die Märe, daß ihr so hold mir seid:
Leb ich noch eine Weile, ich vergelt es mit der Zeit.
163 Ich will euch hören laßen, was mich traurig macht.
Von Boten meiner Feinde ward mir hinterbracht,
Mit Heerfahrten kämen sie mich zu suchen hie:
Das geschah uns von Degen in diesen Landen noch nie.»
164 «Das laßt euch nicht betrüben,» sprach da Siegfried,
«Sänftet eur Gemüthe und thut, wie ich euch rieth:
Laßt mich euch erwerben Ehre so wie Frommen,
Bevor eure Feinde her zu diesen Landen kommen.»
165 «Und hätten dreißigtausend Helfer sich ersehn
Eure starken Feinde, doch wollt ich sie bestehn,
Hätt ich auch selbst nur tausend: verlaßt euch auf mich.»
Da sprach der König Gunther: «Das verdien ich stäts
um dich.»
166 «So heißt mir eurer Leute gewinnen tausend Mann,
Da ich von den Meinen nicht mehr hier stellen kann
Als der Recken zwölfe; so wehr ich euer Land.
Immer soll getreulich euch dienen Siegfriedens Hand.»
167 «Dazu soll Hagen helfen und auch Ortewein,
Dankwart und Sindold, die lieben Recken dein.
Auch soll da mit uns reiten Volker der kühne Mann:
Der soll die Fahne führen: keinen Beßern trefft ihr an.»
168 «Und laßt die Boten reiten heim in ihrer Herren Land;
Daß sie uns bald da sehen, macht ihnen das bekannt,
So daß unsre Burgen befriedet mögen sein.»
Der König hieß besenden Freund und Mannen insgemein.
169 Zu Hofe giengen wieder Die Lüdeger gesandt;
Sie freuten sich der Reise zurück ins Heimatland.
Ihnen bot da reiche Gabe Gunther der König gut
Und sicheres Geleite: des waren sie wohlgemuth.
170 «Nun sagt,» sprach da Gunther, «meinen starken
Feinden an,
Ihre Reise bliebe beßer ungethan;
Doch wollten sie mich suchen hier in meinem Land,
Wir zerrännen denn die Freunde, ihnen werde Noth
bekannt.»
171 Den Boten reiche Gaben man da zur Stelle trug:
Deren hatte Gunther zu geben genug.
Das durften nicht verschmähen Die Lüdeger gesandt.
Sie baten um Urlaub und räumten fröhlich das Land.
172 Als die Boten waren gen Dänemark gekommen,
Und der König Lüdegast den Bericht vernommen,
Was sie am Rhein geredet, als das ihm ward gesagt,
Seine übermüthge Botschaft ward da bereut und beklagt.
173 Sie sagten ihm, sie hätten manch kühnen Mann im Lehn:
«Darunter sah man Einen vor König Gunthern stehn,
Der war geheißen Siegfried, ein Held aus Niederland.»
Leid wars Lüdegasten, als er die Dinge so befand.
174 Als Die vom Dänenlande hörten diese Mär,
Da eilten sie, der Helfer zu gewinnen desto mehr,
Bis der König Lüdegast zwanzigtausend Mann
Seiner kühnen Degen zu seiner Heerfahrt gewann.
175 Da besandte sich von Sachsen auch König Lüdeger,
Bis sie vierzigtausend hatten und wohl mehr,
Die mit ihnen ritten gen Burgundenland.
Da hatt auch schon zu Hause der König Gunther gesandt
176 Zu seinen nächsten Freunden und seiner Brüder Heer,
Womit sie fahren wollten im Kriegszug einher,
Und auch mit Hagens Recken: das that den Helden
Noth.
Darum musten Degen bald erschauen den Tod.
177 Sie schickten sich zur Reise; sie wollten nun hindann.
Die Fahne muste führen Volker der kühne Mann,
Da sie reiten wollten von Worms über Rhein;
Hagen von Tronje der muste Scharmeister sein.
178 Mit ihnen ritt auch Sindold und der kühne Hunold,
Die wohl verdienen konnten reicher Könge Gold.
Dankwart, Hagens Bruder, und auch Ortewein
Die mochten wohl mit Ehren bei dem Heerzuge sein.
179 «Herr König,» sprach da Siegfried, «bleibet ihr zu Haus:
Da mir eure Degen folgen zu dem Strauß,
So weilt bei den Frauen und tragt hohen Muth:
Ich will euch wohl behüten die Ehre so wie das Gut.»
180 «Die euch heimsuchen wollten zu Worms an dem Rhein,
Will euch davor bewahren, daß sie euch schädlich sei’n:
Wir wollen ihnen reiten so nah ins eigne Land,
Daß ihnen bald in Sorge der Uebermuth wird gewandt.»
181 Vom Rheine sie durch Hessen mit ihren Helden ritten
Nach dem Sachsenlande: da wurde bald gestritten.
Mit Raub und mit Brande verheerten sie das Land,
Daß bald den Fürsten beiden ward Noth und Sorge
bekannt.
182 Sie kamen an die Marke; die Knechte rückten an.
Siegfried der starke zu fragen da begann:
«Wer soll nun der Hüter des Gesindes sein?»
Wohl konnte nie den Sachsen ein Heerzug übler gedeihn.
183 Sie sprachen: «Laßt der Knappen hüten auf den Wegen
Dankwart den kühnen, das ist ein schneller Degen:
Wir verlieren desto minder durch Die in Lüdgers Lehn;
Laßt ihn mit Ortweinen hie die Nachhut versehn.»
184 «So will ich selber reiten,» sprach Siegfried der Degen,
«Den Feinden gegenüber der Warte zu pflegen,
Bis ich recht erkunde, wo die Recken sind.»
Da stand bald in den Waffen der schönen Siegelinde Kind.
185 Das Volk befahl er Hagen, als er zog hindann,
Ihm und Gernoten, diesem kühnen Mann.
So ritt er hin alleine in der Sachsen Land,
Wo er die rechte Märe wohl bald mit Ehren befand.
186 Er sah ein groß Geschwader, das auf dem Felde zog,
Und die Kraft der Seinen gewaltig überwog:
Es waren vierzigtausend oder wohl noch mehr.
Siegfried in hohem Muthe sah gar fröhlich das Heer.
187 Da hatte sich ein Recke auch aus der Feinde Schar
Erhoben auf die Warte, der wohl gewappnet war:
Den sah der Degen Siegfried und ihn der kühne Mann;
Jedweder auf den andern mit Zorn zu blicken begann.
188 Ich sag euch, wer der wäre, der hier der Warte pflag;
Ein lichter Schild von Golde ihm vor der Linken lag.
Es war der König Lüdegast, der hütete sein Heer.
Der edle Fremdling sprengte herrlich wider ihn einher.
189 Nun hatt auch ihn Herr Lüdegast sich feindlich erkoren:
Ihre Rosse reizten Beide zur Seite mit den Sporen;
Sie neigten auf die Schilde mit aller Macht den Schaft:
Da kam der hehre König darob in großer Sorgen Haft.
190 Dem Stich gehorsam trugen die Rosse pfeilgeschwind
Die Könige zusammen, als wehte sie der Wind;
Dann mit den Zäumen wandten sie ritterlich zurück:
Die grimmen Zwei versuchten da mit dem Schwerte
das Glück.
191 Da schlug der Degen Siegfried, das Feld erscholl umher.
Aus dem Helme stoben, als obs von Bränden wär,
Die feuerrothen Funken von des Helden Hand;
Da stritt mit großen Kräften der kühne Vogt von
Niederland.
192 Auch ihm schlug Herr Lüdegast manch grimmen Schlag;
Jedweder auf dem Schilde mit ganzer Stärke lag.
Da hatten es wohl dreißig erspäht aus seiner Schar:
Eh die ihm Hülfe brachten, der Sieg doch Siegfrieden war
193 Mit drei starken Wunden, die er dem König schlug
Durch einen lichten Harnisch; der war doch fest genug.
Das Schwert mit seiner Schärfe entlockte Wunden Blut;
Da gewann König Lüdegast einen traurigen Muth.
194 Er bat ihn um sein Leben und bot ihm all sein Land
Und sagt’ ihm, er wäre Lüdegast genannt.
Da kamen seine Recken: die hatten wohl gesehn,
Was da von ihnen beiden auf der Warte war geschehn.
195 Er führt’ ihn gern von dannen: da ward er angerannt
Von dreißig seiner Mannen; doch wehrte seine Hand
Seinen edeln Geisel mit ungestümen Schlägen.
Bald that noch größern Schaden dieser zierliche Degen.
196 Die Dreißig zu Tode wehrlich er schlug;
Ihrer Einen ließ er leben: der ritt da schnell genug
Und brachte hin die Märe von dem, was hier geschehn;
Auch konnte man die Wahrheit an seinem rothen
Helme sehn.
197 Gar leid wars den Recken aus dem Dänenland,
Als ihres Herrn Gefängniss ihnen ward bekannt.
Man sagt’ es seinem Bruder: der fieng zu toben an
In ungestümem Zorne: ihm war gar wehe gethan.
198 Lüdegast der König war hinweggebracht
Zu Gunthers Ingesinde von Siegfrieds Uebermacht.
Er befahl ihn Hagen: der kühne Recke gut,
Als er vernahm die Märe, da gewann er fröhlichen Muth.
199 Man gebot den Burgunden: «Die Fahne bindet an.»
«Wohlauf,» sprach da Siegfried, «hier wird noch
mehr gethan
Vor Abendzeit, verlier ich Leben nicht und Leib:
Das betrübt im Sachsenlande noch manches waidliche
Weib.»
200 «Ihr Helden vom Rheine, ihr sollt mein nehmen wahr:
Ich kann euch wohl geleiten zu Lüdegers Schar.
Da seht ihr Helme hauen von guter Helden Hand:
Eh wir uns wieder wenden, wird ihnen Sorge bekannt.»
201 Zu den Rossen sprangen Gernot und Die ihm unterthan.
Die Heerfahne faßte der kühne Spielmann,
Volker der Degen, und ritt der Schar vorauf.
Da war auch das Gesinde zum Streite muthig und
wohlauf.
202 Sie führten doch der Degen nicht mehr denn tausend
Mann,
Darüber zwölf Recken. Zu stieben da begann
Der Staub von den Straßen: sie ritten über Land;
Man sah von ihnen scheinen manchen schönen
Schildesrand.
203 Nun waren auch die Sachsen gekommen und ihr Heer
Mit Schwertern wohlgewachsen; die Klingen schnitten
sehr,
Das hab ich wohl vernommen, den Helden an der Hand:
Da wollten sie die Gäste von Burgen wehren und Land.
204 Der Herren Scharmeister führten das Volk heran.
Da war auch Siegfried kommen mit den zwölf Mann,
Die er mit sich führte aus dem Niederland.
Des Tags sah man im Sturme manche blutige Hand.
205 Sindold und Hunold und auch Gernot
Die schlugen in dem Streite viel der Helden todt,
Eh sie ihrer Kühnheit noch selber mochten traun:
Das musten bald beweinen viel der waidlichen Fraun.
206 Volker und Hagen und auch Ortwein
Leschten in dem Streite manches Helmes Schein
Mit fließendem Blute, die Kühnen in der Schlacht.
Von Dankwarten wurden viel große Wunder vollbracht.
207 Da versuchten auch die Dänen waidlich ihre Hand;
Von Stößen laut erschallte mancher Schildesrand
Und von den scharfen Schwertern, womit man Wunden
schlug.
Die streitkühnen Sachsen thaten Schadens auch genug.
208 Als die Burgunden drangen in den Streit,
Von ihnen ward gehauen manche Wunde weit:
Ueber die Sättel fließen sah man das Blut;
So warben um die Ehre diese Ritter kühn und gut.
209 Man hörte laut erhallen den Helden an der Hand
Ihre scharfen Waffen, als Die von Niederland
Ihrem Herrn nachdrangen in die dichten Reihn;
Die zwölfe kamen ritterlich zugleich mit Siegfried hinein.
210 Deren vom Rheine kam ihnen Niemand nach.
Man konnte fließen sehen den blutrothen Bach
Durch die lichten Helme von Siegfriedens Hand,
Eh er Lüdegeren vor seinen Heergesellen fand.
211 Dreimal die Kehre hat er nun genommen
Bis an des Heeres Ende; da war auch Hagen kommen:
Der half ihm wohl vollbringen im Kampfe seinen Muth.
Da muste bald ersterben vor ihnen mancher Ritter gut.
212 Als der starke Lüdeger Siegfrieden fand,
Wie er so erhaben trug in seiner Hand
Balmung den guten und da so Manchen schlug,
Darüber ward der Kühne vor Zorn ingrimmig genug.
213 Da gab es stark Gedränge und lauten Schwerterklang,
Wo ihr Ingesinde auf einander drang.
Da versuchten desto heftiger die beiden Recken sich;
Die Scharen wichen beide: der Kämpen Haß ward
fürchterlich.
214 Dem Vogt vom Sachsenlande war es wohl bekannt,
Sein Bruder sei gefangen: drum war er zornentbrannt;
Nicht wust er, ders vollbrachte, sei der Sieglindensohn.
Man zeihte des Gernoten; hernach befand er es schon.
215 Da schlug so starke Schläge Lüdegers Schwert,
Siegfrieden unterm Sattel niedersank das Pferd;
Doch bald erhob sichs wieder: der kühne Siegfried auch
Gewann jetzt im Sturme einen furchtbaren Brauch.
216 Dabei half ihm Hagen wohl und Gernot,
Dankwart und Volker: da lagen Viele todt.
Sindold und Hunold und Ortwein der Degen
Die konnten in dem Streite zum Tode Manchen
niederlegen.
217 Untrennbar im Kampfe waren die Fürsten hehr.
Ueber die Helme fliegen sah man manchen Sper
Durch die lichten Schilde von der Helden Hand;
Auch ward von Blut geröthet mancher herrliche Rand.
218 In dem starken Sturme sank da mancher Mann
Von den Rossen nieder. Einander rannten an
Siegfried der kühne und König Lüdeger;
Man sah da Schäfte fliegen und manchen schneidigen Sper.
219 Der Schildbeschlag des Königs zerstob vor Siegfrieds
Hand.
Sieg zu erwerben dachte der Held von Niederland
An den kühnen Sachsen; die litten Ungemach.
Hei! was da lichte Panzer der kühne Dankwart zerbrach!
220 Da hatte König Lüdeger auf einem Schild erkannt
Eine gemalte Krone vor Siegfriedens Hand:
Da sah er wohl, es wäre der kraftreiche Mann.
Laut auf zu seinen Freunden der Held zu rufen begann:
221 «Begebt euch des Streites, ihr all mir unterthan!
Den Sohn König Siegmunds traf ich hier an,
Siegfried den starken hab ich hier erkannt;
Den hat der üble Teufel her zu den Sachsen gefandt.»
222 Er gebot die Fahnen zu senken in dem Streit.
Friedens er begehrte: der ward ihm nach der Zeit;
Doch must er Geisel werden in König Gunthers Land:
Das hatt an ihm erzwungen des kühnen Siegfriedes Hand.
223 Nach allgemeinem Rathe ließ man ab vom Streit.
Viel zerschlagner Helme und der Schilde weit
Legten sie aus Händen; so viel man deren fand,
Die waren blutgeröthet von der Burgunden Hand.
224 Sie fiengen, wen sie wollten: sie hatten volle Macht.
Gernot und Hagen, die schnellen, hatten Acht,
Daß man die Wunden bahrte; da führten sie hindann
Gefangen nach dem Rheine der Kühnen fünfhundert
Mann.
225 Die sieglosen Recken zum Dänenlande ritten.
Da hatten auch die Sachsen so tapfer nicht gestritten,
Daß man sie loben sollte: das war den Helden leid.
Da beklagten ihre Freunde die Gefallnen in dem Streit.
226 Sie ließen ihre Waffen aufsäumen nach dem Rhein.
Es hatte wohl geworben mit den Gefährten sein
Siegfried der starke und hatt es gut vollbracht:
Das must ihm zugestehen König Gunthers ganze Macht.
227 Gen Worms sandte Boten der König Gernot:
Daheim in seinem Lande den Freunden er entbot,
Wie ihm gelungen wäre und all seinem Lehn:
Es war da von den Kühnen nach allen Ehren geschehn.
228 Die Botenknaben liefen; so ward es angesagt.
Da freuten sich in Liebe, die eben Leid geklagt,
Dieser frohen Märe, die ihnen war gekommen.
Da ward von edlen Frauen großes Fragen vernommen,
229 Wie es den Herrn gelungen wär in des Königs Heer.
Man rief der Boten Einen zu Kriemhilden her.
Das geschah verstohlen, sie durfte es wohl nicht laut:
Denn Einer war darunter, dem sie längst ihr Herz vertraut.
230 Als sie in ihre Kammer den Boten kommen sah,
Kriemhild die schöne gar gütlich sprach sie da:
«Nun sag mir liebe Märe, so geb ich dir mein Gold,
Und thust dus ohne Trügen, will ich dir immer bleiben
hold.»
231 «Wie schied aus dem Streite mein Bruder Gernot
Und meine andern Freunde? Blieb uns nicht Mancher
todt?
Wer that da das Beste? das sollst du mir sagen»
Da sprach der biedre Bote: «Wir hatten nirgend einen
Zagen.»
232 «Zuvorderst in dem Streite ritt Niemand so wohl,
Hehre Königstochter, wenn ich es sagen soll,
Als der edle Fremdling aus dem Niederland:
Da wirkte große Wunder des kühnen Siegfriedes Hand.»
233 «Was von den Recken allen im Streit da geschehn,
Dankwart und Hagen und des Königs ganzem Lehn,
Wie wehrlich sie auch stritten, das war doch wie ein Wind
Nur gegen Siegfrieden, König Siegmundens Kind.»
234 «Sie haben in dem Sturme der Helden viel erschlagen;
Doch möcht euch dieser Wunder ein Ende Niemand
sagen,
Die da Siegfried wirkte, ritt er in den Streit.
Den Fraun an ihren Freunden that er mächtiges Leid.»
235 «Auch muste vor ihm fallen der Friedel mancher Braut.
Seine Schläge schollen auf Helmen also laut,
Daß sie aus Wunden brachten das fließende Blut:
Er ist in allen Dingen ein Ritter kühn und auch gut.»
236 «Da hat auch viel begangen von Metz Herr Ortewein:
Was er nur mocht erlangen mit dem Schwerte sein,
Das fiel vor ihm verwundet oder meistens todt.
Da schuf euer Bruder die allergrößeste Noth,»
237 «Die jemals in Stürmen mochte sein geschehn;
Man muß dem Auserwählten die Wahrheit zugestehn.
Die stolzen Burgunden bestanden so die Fahrt,
Daß sie vor allen Schanden die Ehre haben bewahrt.»
238 «Man sah von ihren Händen der Sättel viel geleert,
Als so laut das Feld erhallte von manchem lichten
Schwert.
Die Recken vom Rheine die ritten allezeit,
Daß ihre Feinde beßer vermieden hätten den Streit.»
239 «Auch die kühnen Tronjer schufen großes Leid,
Als mit Volkskräften das Heer sich traf im Streit.
Da schlug so Manchen nieder des kühnen Hagen Hand,
Es wäre viel zu sagen davon in der Burgunden Land.»
240 «Sindold und Hunold in Gernotens Heer
Und Rumold der kühne schufen so viel Beschwer,
König Lüdger mag es beklagen allezeit,
Daß er meine Herren am Rhein berief in den Streit.»
241 «Kampf, den allerhöchsten, der irgend da geschah,
Vom Ersten bis zum Letzten, den Jemand nur sah,
Hat Siegfried gefochten mit wehrlicher Hand:
Er bringt reiche Geisel her in König Gunthers Land.»
242 «Die zwang mit seinen Kräften der streitbare Held,
Wovon der König Lüdegast den Schaden nun behält
Und vom Sachsenlande sein Bruder Lüdeger.
Nun hört meine Märe, viel edle Königin hehr!»
243 «Gefangen hat sie beide Siegfriedens Hand:
Nie so mancher Geisel kam in dieses Land,
Als nun seine Kühnheit bringt an den Rhein.»
Ihr konnten diese Mären nicht willkommener sein.
244 «Man führt der Gesunden fünfhundert oder mehr
Und der zum Sterben Wunden, wißt, Königin hehr,
Wohl achtzig blutge Bahren her in unser Land:
Die hat zumeist verhauen des kühnen Siegfriedes Hand.»
245 «Die uns im Uebermuthe widersagten hier am Rhein,
Die müßen nun Gefangene König Gunthers sein;
Die bringt man mit Freuden her in dieses Land.»
Ihre lichte Farb erblühte, als ihr die Märe ward bekannt.
246 Ihr schönes Antlitz wurde vor Freuden rosenroth,
Da lebend war geschieden aus so großer Noth
Der waidliche Recke, Siegfried der junge Mann.
Sie war auch froh der Freunde und that wohl weislich
daran.
247 Die Schöne sprach: «Du machtest mir frohe Mär
bekannt:
Ich laße dir zum Lohne geben reich Gewand,
Und zehn Mark von Golde heiß ich dir tragen.»
Drum mag man solche Botschaft reichen Frauen gerne
sagen.
248 Man gab ihm zum Lohne das Gold und auch das Kleid.
Da trat an die Fenster manche schöne Maid
Und schaute nach der Straße, wo man reiten fand
Viel hochherzge Degen in der Burgunden Land.
249 Da kamen die Gesunden, der Wunden Schar auch kam:
Die mochten grüßen hören von Freunden ohne Scham.
Der Wirth ritt seinen Gästen entgegen hocherfreut:
Mit Freuden war beendet all sein mächtiges Leid.
250 Da empfieng er wohl die Seinen, die Fremden auch
zugleich,
Wie es nicht anders ziemte dem Könige reich,
Als denen gütlich danken, die da waren kommen,
Daß sie den Sieg mit Ehren im Sturme hatten genommen.
251 Herr Gunther ließ sich Kunde von seinen Freunden sagen,
Wer ihm auf der Reise zu Tode wär erschlagen,
Da hatt er nicht verloren mehr als sechzig Mann;
Die muste man verschmerzen, wie man noch Manchen
gethan.
252 Da brachten die Gesunden zerhauen manchen Rand
Und viel zerschlagener Helme in König Gunthers Land.
Das Volk sprang von den Rossen vor des Königs Saal;
Zu liebem Empfange vernahm man fröhlichen Schall.
253 Da gab man Herbergen den Recken in der Stadt.
Der König seine Gäste wohl zu verpflegen bat;
Die Wunden ließ er hüten und warten fleißiglich.
Wohl zeigte seine Milde auch an seinen Feinden sich.
254 Er sprach zu Lüdegeren: «Nun seid mir willkommen!
Ich bin zu großem Schaden durch eure Schuld
gekommen:
Der wird mir nun vergolten, wenn ich das schaffen kann.
Gott lohne meinen Freunden: sie haben wohl an mir
gethan.»
255 «Wohl mögt ihr ihnen danken,» sprach da Lüdeger,
«Solche hohe Geisel gewann kein König mehr.
Um ritterlich Gewahrsam bieten wir großes Gut
Und bitten, daß ihr gnädiglich an euern Widersachern
thut.»
256 «Ich will euch,» sprach er, «Beide ledig laßen gehn;
Nur daß meine Feinde hier bei mir bestehn,
Dafür verlang ich Bürgschaft, damit sie nicht mein Land
Räumen ohne Frieden.» Darauf boten sie die Hand.
257 Man brachte sie zur Ruhe, wo man sie wohl verpflag.
Und bald auf guten Betten mancher Wunde lag.
Man schenkte den Gesunden Meth und guten Wein;
Da konnte das Gesinde nicht wohl fröhlicher sein.
258 Die zerhaunen Schilde man zum Verschluße trug;
Blutgefärbter Sättel sah man da genug.
Die ließ man verbergen, so weinten nicht die Fraun.
Da waren reisemüde viel gute Ritter zu schaun.
259 Seiner Gäste pflegen hieß der König wohl;
Von Heimischen und Fremden lag das Land ihm voll;
Er ließ die Fährlichwunden gütlich verpflegen:
Wie hart war darnieder nun ihr Uebermuth gelegen!
260 Die Arzneikunst wusten, denen bot man reichen Sold,
Silber ungewogen, dazu das lichte Gold,
Wenn sie die Helden heilten nach des Streites Noth.
Dazu viel große Gaben der König seinen Gästen bot.
261 Wer wieder heimzureisen sann in seinem Muth,
Den bat man noch zu bleiben, wie man mit Freunden
thut.
Der König gieng zu Rathe, wie er lohne seinem Lehn:
Durch sie war sein Wille nach allen Ehren geschehn.
262 Da sprach der König Gernot: «Laßt sie jetzt hindann;
Ueber sechs Wochen, das kündigt ihnen an,
Sollten sie wiederkehren zu einem Hofgelag:
Heil ist dann wohl Mancher, der jetzt schwer
verwundet lag.»
263 Da bat auch um Urlaub Siegfried von Niederland.
Als dem König Gunther sein Wille ward bekannt,
Bat er ihn gar minniglich, noch bei ihm zu bestehn;
Wenn nicht um seine Schwester, so wär es nimmer
geschehn.
264 Dazu war er zu mächtig, daß man ihm böte Sold,
So sehr er es verdiente. Der König war ihm hold
Und all seine Freunde, die das mit angesehn,
Was da von seinen Händen war im Streite geschehn.
265 Er dachte noch zu bleiben um die schöne Maid;
Vielleicht, daß er sie sähe. Das geschah auch nach
der Zeit:
Wohl nach seinem Wunsche ward sie ihm bekannt.
Dann ritt er reich an Freuden heim in seines Vaters Land.
266 Der Wirth bat alle Tage des Ritterspiels zu pflegen;
Das that mit gutem Willen mancher junge Degen.
Auch ließ er Sitz’ errichten vor Worms an dem Strand
Für Die da kommen sollten in der Burgunden Land.
267 Nun hatt auch in den Tagen, als sie sollten kommen,
Kriemhild die schöne die Märe wohl vernommen,
Er stell ein Hofgelage mit lieben Freunden an.
Da dachten schöne Frauen mit großem Fleiße daran,
268 Gewand und Band zu suchen, das sie wollten tragen.
Ute die reiche vernahm die Märe sagen
Von den stolzen Recken, die da sollten kommen:
Da wurden aus dem Einschlag viele reiche Kleider
genommen.
269 Ihrer Kinder halb bereiten ließ sie Rock und Kleid,
Womit sich da zierten viel Fraun und manche Maid
Und viel der jungen Recken aus Burgundenland.
Sie ließ auch manchem Fremden bereiten herrlich
Gewand.
270 Man sah die Helden täglich nun reiten an den Rhein,
Die bei dem Hofgelage gerne wollten sein
Und den Königen zu Liebe kamen in das Land.
Man gab ihrer Vielen beides, Ross und Gewand.
271 Es war auch das Gestühle allen schon bereit,
Den Höchsten und den Besten, so hörten wir Bescheid,
Zweiunddreißig Fürsten zu dem Hofgelag:
Da zierten um die Wette sich die Frauen für den Tag.
272 Gar geschäftig sah man Geiselher das Kind.
Die Heimischen und Fremden empfieng er holdgesinnt
Mit Gernot seinem Bruder und beider Mannen da.
Wohl grüßten sie die Degen, wie es nach Ehren geschah.
273 Viel goldrother Sättel führten sie ins Land,
Zierliche Schilde und herrlich Gewand
Brachten sie zu Rheine bei dem Hofgelag.
Mancher Ungesunde hieng der Freude wieder nach.
274 Die wund zu Bette liegend vordem gelitten Noth,
Die durften nun vergeßen, wie bitter sei der Tod;
Die Siechen und die Kranken vergaß man zu beklagen.
Es freute sich ein Jeder entgegen festlichen Tagen:
275 Wie sie da leben wollten in gastlichem Genuß!
Wonnen ohne Maßen, der Freuden Ueberfluß
Hatten alle Leute, so viel man immer fand:
Da hub sich große Wonne über Gunthers ganzes Land.
276 An einem Pfingstmorgen sah man sie alle gehn
Wonniglich gekleidet, viel Degen ausersehn,
Fünftausend oder drüber, dem Hofgelag entgegen.
Da hub um die Wette sich viel Kurzweil allerwegen.
277 Der Wirth hatt im Sinne, was er schon längst erkannt,
Wie von ganzem Herzen der Held von Niederland
Seine Schwester liebe, sah er sie gleich noch nie,
Der man das Lob der Schönheit vor allen Jungfrauen lieh.
278 Er sprach: «Nun rathet Alle, Freund oder Unterthan,
Wie wir das Hofgelage am besten stellen an,
Daß man uns nicht schelte darum nach dieser Zeit;
Zuletzt doch an den Werken liegt das Lob, das man
uns beut.»
279 Da sprach zu dem Könige von Metz Herr Ortewein:
«Soll dieß Hofgelage mit vollen Ehren sein,
So laßt eure Gäste die schönen Kinder sehn,
Denen so viel Ehren in Burgundenland geschehn.»
280 «Was wäre Mannes Wonne, was freut’ er sich zu schaun,
Wenn nicht schöne Mägdelein und herrliche Fraun?
Drum laßt eure Schwester vor die Gäste gehn.»
Der Rath war manchem Helden zu hoher Freude
geschehn.
281 «Dem will ich gerne folgen,» der König sprach da so.
Alle, die’s erfuhren, waren darüber froh.
Er entbot es Frauen Uten und ihrer Tochter schön,
Daß sie mit ihren Maiden hin zu Hofe sollten gehn.
282 Da ward aus den Schreinen gesucht gut Gewand,
So viel man eingeschlagen der lichten Kleider fand,
Der Borten und der Spangen; des lag genug bereit.
Da zierte sich gar minniglich manche waidliche Maid.
283 Mancher junge Recke wünschte heut so sehr,
Daß er wohlgefallen möchte den Frauen hehr,
Das er dafür nicht nähme ein reiches Königsland:
Sie sahen die gar gerne, die sie nie zuvor gekannt.
284 Da ließ der reiche König mit seiner Schwester gehn
Hundert seiner Recken, zu ihrem Dienst ersehn
Und dem ihrer Mutter, die Schwerter in der Hand:
Das war das Hofgesinde in der Burgunden Land.
285 Ute die reiche sah man mit ihr kommen,
Die hatte schöner Frauen sich zum Geleit genommen
Hundert oder drüber, geschmückt mit reichem Kleid.
Auch folgte Kriemhilden manche waidliche Maid.
286 Aus einer Kemenate sah man sie alle gehn:
Da muste heftig Drängen von Helden bald geschehn,
Die alle harrend standen, ob es möchte sein,
Daß sie da fröhlich sähen dieses edle Mägdelein.
287 Da kam die Minnigliche, wie das Morgenroth
Tritt aus trüben Wolken. Da schied von mancher Noth,
Der sie im Herzen hegte, was lange war geschehn.
Er sah die Minnigliche nun gar herrlich vor sich stehn.
288 Von ihrem Kleide leuchtete mancher edle Stein;
Ihre rosenrothe Farbe gab wonniglichen Schein.
Was Jemand wünschen mochte, er muste doch gestehn,
Daß er hier auf Erden noch nicht so Schönes gesehn.
289 Wie der lichte Vollmond vor den Sternen schwebt,
Des Schein so hell und lauter sich aus den Wolken hebt,
So glänzte sie in Wahrheit vor andern Frauen gut:
Das mochte wohl erhöhen den zieren Helden den Muth.
290 Die reichen Kämmerlinge schritten vor ihr her;
Die hochgemuthen Degen ließen es nicht mehr:
Sie drängten, daß sie sähen die minnigliche Maid.
Siegfried dem Degen war es lieb und wieder leid.
291 Er sann in seinem Sinne: «Wie dacht ich je daran,
Daß ich dich minnen sollte? das ist ein eitler Wahn;
Soll ich dich aber meiden, so wär ich sanfter todt.»
Er ward von Gedanken oft bleich und oft wieder roth.
292 Da sah man den Sigelindensohn so minniglich da stehn,
Als wär er entworfen auf einem Pergamen
Von guten Meisters Händen: gern man ihm zugestand,
Daß man nie im Leben so schönen Helden noch fand.
293 Die mit Kriemhilden giengen, die hießen aus den Wegen
Allenthalben weichen: dem folgte mancher Degen.
Die hochgetragnen Herzen freute man sich zu schaun:
Man sah in hohen Züchten viel der herrlichen Fraun.
294 Da sprach von Burgunden der König Gernot:
«Dem Helden, der so gütlich euch seine Dienste bot,
Gunther, lieber Bruder, dem bietet hier den Lohn
Vor allen diesen Recken: des Rathes spricht man mir
nicht Hohn.»
295 «Heißet Siegfrieden zu meiner Schwester kommen,
Daß ihn das Mägdlein grüße: das bringt uns immer
Frommen:
Die niemals Recken grüßte, soll sein mit Grüßen pflegen,
Daß wir uns so gewinnen diesen zierlichen Degen.»
296 Des Wirthes Freunde giengen dahin, wo man ihn fand;
Sie sprachen zu dem Recken aus dem Niederland:
«Der König will erlauben, ihr sollt zu Hofe gehn,
Seine Schwester soll euch grüßen: die Ehre soll euch
geschehn.»
297 Der Rede ward der Degen in seinem Muth erfreut:
Er trug in seinem Herzen Freude sonder Leid,
Daß er der schönen Ute Tochter sollte sehn.
In minniglichen Züchten empfieng sie Siegfrieden schön.
298 Als sie den Hochgemuthen vor sich stehen sah,
Ihre Farbe ward entzündet; die Schöne sagte da:
«Willkommen, Herr Siegfried, ein edler Ritter gut.»
Da ward ihm von dem Gruße gar wohl erhoben
der Muth.
299 Er neigte sich ihr minniglich, als er den Dank ihr bot.
Da zwang sie zu einander sehnender Minne Noth;
Mit liebem Blick der Augen sahn einander an
Der Held und auch das Mägdelein; das ward verstohlen
gethan.
300 Ward da mit sanftem Drucke geliebkost weiße Hand
In herzlicher Minne, das ist mir unbekannt.
Doch kann ich auch nicht glauben, sie hättens nicht
gethan.
Liebebedürftige Herzen thäten Unrecht daran.
301 Zu des Sommers Zeiten und in des Maien Tagen
Durft er in seinem Herzen nimmer wieder tragen
So viel hoher Wonne, als er da gewann,
Da die ihm an der Hand gieng, die der Held zu minnen
sann.
302 Da gedachte mancher Recke: «Hei! wär mir so geschehn,
Daß ich so bei ihr gienge, wie ich ihn gesehn,
Oder bei ihr läge! das nähm ich willig hin.»
Es diente nie ein Recke so gut noch einer Königin.
303 Aus welchen Königs Landen ein Gast gekommen war,
Er nahm im ganzen Saale nur dieser beiden wahr.
Ihr ward erlaubt zu küssen den waidlichen Mann:
Ihm ward in seinem Leben nie so Liebes gethan.
304 Von Dänemark der König hub an und sprach zur Stund:
«Des hohen Grußes willen liegt gar Mancher wund,
Wie ich wohl hier gewahre, von Siegfriedens Hand:
Gott laß ihn nimmer wieder kommen in der Dänen
Land.»
305 Da hieß man allenthalben weichen aus den Wegen
Kriemhild der Schönen; manchen kühnen Degen
Sah man wohlgezogen mit ihr zur Kirche gehn.
Bald ward von ihr geschieden dieser Degen ausersehn.
306 Da gieng sie zu dem Münster und mit ihr viel der Fraun.
Da war in solcher Zierde die Königin zu schaun,
Daß da hoher Wünsche mancher ward verloren;
Sie war zur Augenweide viel der Recken auserkoren.
307 Kaum erharrte Siegfried, bis schloß der Messgesang;
Er mochte seinem Heile des immer sagen Dank,
Daß ihm so gewogen war, die er im Herzen trug:
Auch war er der Schönen nach Verdiensten hold genug.
308 Als sie aus dem Münster nach der Messe kam,
Lud man wieder zu ihr den Helden lobesam.
Da begann ihm erst zu danken die minnigliche Maid,
Daß er vor allen Recken so kühn gefochten im Streit.
309 «Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried,» sprach
das schöne Kind,
«Daß ihr das verdientet, daß euch die Recken sind
So hold mit ganzer Treue, wie sie zumal gestehn.»
Da begann er Frau Kriemhilden minniglich anzusehn.
310 «Stäts will ich ihnen dienen,» sprach Stegfried
der Degen,
«Und will mein Haupt nicht eher zur Ruhe niederlegen,
Bis ihr Wunsch geschehen, so lang mein Leben währt:
Das thu ich, Frau Kriemhild, daß ihr mir Minne
gewährt.»
311 Innerhalb zwölf Tagen, so oft es neu getagt,
Sah man bei dem Degen die wonnigliche Magd,
So sie zu Hofe durfte vor ihren Freunden gehn.
Der Dienst war dem Recken aus großer Liebe geschehn.
312 Freude und Wonne und lauten Schwerterschall
Vernahm man alle Tage vor König Gunthers Saal,
Davor und darinnen von manchem kühnen Mann.
Von Ortwein und Hagen wurden Wunder viel gethan.
313 Was man zu üben wünschte, dazu sah man bereit
In völligem Maße die Degen kühn im Streit.
Da machten vor den Gästen die Recken sich bekannt;
Es war eine Zierde König Gunthers ganzem Land.
314 Die lange wund gelegen, wagten sich an den Wind:
Sie wollten kurzweilen mit des Königs Ingesind,
Schirmen mit den Schilden und schießen manchen
Schaft.
Des halfen ihnen Viele; sie hatten größliche Kraft.
315 Bei dem Hofgelage ließ sie der Wirth verpflegen
Mit der besten Speise; es durfte sich nicht regen
Nur der kleinste Tadel, der Fürsten mag entstehn;
Man sah ihn jetzo freundlich hin zu seinen Gästen gehn.
316 Er sprach: «Ihr guten Recken, bevor ihr reitet hin,
So nehmt meine Gaben: also fleht mein Sinn,
Ich will euch immer danken; verschmäht nicht mein Gut:
Es unter euch zu theilen hab ich willigen Muth.»
317 Die vom Dänenlande sprachen gleich zur Hand:
«Bevor wir wieder reiten heim in unser Land,
Gewährt uns stäten Frieden: das ist uns Recken noth;
Uns sind von euern Degen viel der lieben Freunde todt.»
318 Genesen von den Wunden war Lüdegast derweil;
Der Vogt des Sachsenlandes war bald vom Kampfe heil.
Etliche Todte ließen sie im Land.
Da gieng der König Gunther hin, wo er Siegfrieden fand.
319 Er sprach zu dem Recken: «Nun rath mir, wie ich thu.
Unsre Gäste wollen reiten morgen fruh
Und gehn um stäte Sühne mich und die Meinen an:
Nun rath, kühner Degen, was dich dünke wohlgethan.»
320 «Was mir die Herrn bieten, das will ich dir sagen:
Was fünfhundert Mähren an Gold mögen tragen,
Das bieten sie mir gerne für ihre Freiheit an.»
Da sprach aber Siegfried: «Das wär übel gethan.»
321 «Ihr sollt sie beide ledig von hinnen laßen ziehn;
Nur daß die edeln Recken sich hüten fürderhin
Vor feindlichem Reiten her in euer Land,
Laßt euch zu Pfande geben der beiden Könige Hand.»
322 «Dem Rathe will ich folgen.» So giengen sie hindann.
Seinen Widersachern ward es kundgethan,
Des Golds begehre Niemand, das sie geboten eh.
Daheim den lieben Freunden war nach
den heermüden weh.
323 Viel Schilde schatzbeladen trug man da herbei:
Das theilt’ er ungewogen seinen Freunden frei,
An fünfhundert Marken und Manchem wohl noch mehr;
Gernot rieth es Gunthern, dieser Degen kühn und hehr.
324 Um Urlaub baten alle, sie wollten nun hindann.
Da kamen die Gäste vor Kriemhild heran
Und dahin auch, wo Frau Ute saß, die Königin.
Es zogen nie mehr Degen so wohl beurlaubt dahin.
325 Die Herbergen leerten sich, als sie von dannen ritten.
Doch verblieb im Lande mit herrlichen Sitten
Der König mit den Seinen und mancher edle Mann:
Die giengen alle Tage zu Frau Kriemhild heran.
326 Da wollt auch Urlaub nehmen Siegfried der gute Held,
Verzweifelnd zu erwerben, worauf sein Sinn gestellt.
Der König hörte sagen, er wolle nun hindann:
Geiselher der junge ihn von der Reise gewann.
327 «Wohin, edler Siegfried, wohin reitet ihr?
Hört meine Bitte, bleibt bei den Recken hier,
Bei Gunther dem König und bei seinem Lehn:
Hier sind viel schöne Frauen, die läßt man euch
gerne sehn.»
328 Da sprach der starke Siegfried: «So laßt die Rosse stehn.
Von hinnen wollt ich reiten, das laß ich mir vergehn.
Tragt auch hinweg die Schilde: wohl wollt ich in mein
Land:
Davon hat mich Herr Geiselher mit großen Treuen
gewandt.»
329 So verblieb der Kühne dem Freund zu Liebe dort.
Auch wär ihm in den Landen an keinem andern Ort
So wohl als hier geworden: daher es nun geschah,
Daß er alle Tage die schöne Kriemhild ersah.
330 Ihrer hohen Schönheit willen der Degen da verblieb.
Mit mancher Kurzweile man nun die Zeit vertrieb;
Nur zwang ihn ihre Minne, die schuf ihm oftmals Noth;
Darum hernach der Kühne lag zu großem Jammer todt.
331 Wieder neue Märe erhob sich über Rhein:
Man sagte sich, da wäre manch schönes Mägdelein.
Sich eins davon zu werben sann König Gunthers Muth.
Das dauchte seine Recken und die Herren alle gut.
332 Es war eine Königin geseßen über Meer,
Ihr zu vergleichen war keine andre mehr.
Schön war sie aus der Maßen, gar groß war ihre Kraft;
Sie schoß mit schnellen Degen um ihre Minne den Schaft.
333 Den Stein warf sie ferne, nach dem sie weithin sprang;
Wer ihrer Minne gehrte, der muste sonder Wank
Drei Spiel’ ihr abgewinnen, der Frauen wohlgeboren;
Gebrach es ihm an Einem, so war das Haupt ihm verloren.
334 Die Königstochter hatte das manchesmal gethan.
Das erfuhr am Rheine ein Ritter wohlgethan.
Der seine Sinne wandte auf das schöne Weib.
Drum musten bald viel Degen verlieren Leben und Leib.
335 Als einst mit seinen Leuten saß der König hehr,
Ward es von allen Seiten berathen hin und her,
Welche ihr Herr sich sollte zum Gemahl erschaun,
Die er zum Weibe wollte und dem Land geziemte
zur Fraun.
336 Da sprach der Vogt vom Rheine: «Ich will an die See
Hin zu Brunhilden, wie es mir ergeh.
Um ihre Minne wag ich Leben und Leib,
Die will ich verlieren, gewinn ich nicht sie zum Weib.»
337 «Das möcht ich widerrathen,» sprach Siegfried
wider ihn:
«So grimmiger Sitte pflegt die Königin,
Um ihre Minne werben, das kommt hoch zu stehn:
Drum mögt ihrs wohl entrathen, auf diese Reise
zu gehn.»
338 Da sprach der König Gunther: «Ein Weib ward noch nie
So stark und kühn geboren, im Streit wollt ich sie
Leichtlich überwinden allein mit meiner Hand.»
«Schweigt,» sprach da Siegfried, «sie ist euch noch
unbekannt.»
339 «Und wären eurer viere, die könnten nicht gedeihn
Vor ihrem grimmen Zorne: drum laßt den Willen sein,
Das rath ich euch in Treuen: entgeht ihr gern dem Tod,
So macht um ihre Minne euch nicht vergebliche Noth.»
340 «Sei sie so stark sie wolle, die Reise muß ergehn
Hin zu Brunhilden, mag mir was will geschehn.
Ihrer hohen Schönheit willen gewagt muß es sein:
Vielleicht daß Gott mir füget, daß sie uns folgt
an den Rhein.»
341 «So will ich euch rathen,» begann da Hagen,
«Bittet Siegfrieden, mit euch zu tragen
Die Last dieser Sorge; das ist der beste Rath,
Weil er von Brunhilden so gute Kunde doch hat.»
342 Er sprach: «Viel edler Siegfried, willst du mir Helfer sein
Zu werben um die Schöne? Thu nach der Bitte mein;
Und gewinn ich mir zur Trauten das herrliche Weib,
So verwag ich deinetwillen Ehre, Leben und Leib.»
343 Zur Antwort gab ihm Siegfried, König Siegmunds Sohn:
«Ich will es thun, versprichst du die Schwester mir
zum Lohn,
Kriemhild die schöne, eine Königin hehr:
So begehr ich keines Dankes nach meinen Arbeiten
mehr.»
344 «Das gelob ich,» sprach Gunther, «Siegfried,
dir an die Hand.
Und kommt die schöne Brunhild hieher in dieses Land,
So will ich dir zum Weibe meine Schwester geben:
So magst du mit der Schönen immer in Freuden leben.»
345 Des schwuren sich Eide diese Recken hehr.
Da schuf es ihnen beiden viel Müh und Beschwer,
Eh sie die Wohlgethane brachten an den Rhein.
Es musten die Kühnen darum in großen Sorgen sein.
346 Von wilden Gezwergen hab ich hören sagen,
Daß sie in hohlen Bergen wohnen und Schirme tragen,
Die heißen Tarnkappen, von wunderbarer Art;
Wer sie am Leibe trage, der sei gar wohl darin bewahrt
347 Vor Schlägen und vor Stichen; ihn mög auch Niemand
sehn,
So lang er drin verweile; hören doch und spähn
Mag er nach feinem Willen, daß Niemand ihn erschaut;
Ihm wachsen auch die Kräfte, wie uns die Märe vertraut.
348 Die Tarnkappe führte Siegfried mit hindann,
Die der kühne Degen mit Sorgen einst gewann
Von einem Gezwerge mit Namen Alberich.
Da schickten sich zur Reise Recken kühn und ritterlich.
349 Wenn der starke Siegfried die Tarnkappe trug,
So gewann er drinnen der Kräfte genug,
Zwölf Männer Stärke, so wird uns gesagt.
Er erwarb mit großen Listen diese herrliche Magd.
350 Auch war so beschaffen die Nebelkappe gut,
Ein Jeder mochte drinnen thun nach seinem Muth,
Was er immer wollte, daß ihn doch Niemand sah.
Damit gewann er Brunhild, durch die ihm bald viel Leid
geschah.
351 «Nun sage mir, Siegfried, eh unsre Fahrt gescheh,
Wie wir mit vollen Ehren kommen über See?
Sollen wir Ritter führen in Brunhildens Land?
Dreißigtausend Degen die werden eilends besandt.»
352 «Wie viel wir Volkes führten,» sprach Siegfried wider ihn,
«So grimmiger Sitte pflegt die Königin,
Das müste doch ersterben vor ihrem Uebermuth.
Ich will euch beßer rathen, Degen ihr kühn und gut.»
353 «In Reckenweise fahren laßt uns zu Thal den Rhein.
Die will ich euch nennen, die das sollen sein:
Zu uns zwein noch zweie und Niemand anders mehr,
Daß wir die Frau erwerben, was auch geschehe nachher.»
354 «Der Gesellen bin ich einer, du sollst der andre sein,
Und Hagen sei der dritte: wir mögen wohl gedeihn;
Der vierte das sei Dankwart, dieser kühne Mann.
Es dürfen Andrer tausend zum Streite nimmer
uns nahn.»
355 «Die Märe wüst ich gerne,» der König sprach da so,
«Eh wir von hinnen führen, des wär ich herzlich froh,
Was wir für Kleider sollten vor Brunhilden tragen,
Die uns geziemen möchten: Siegfried, das sollst
du mir sagen.»
356 «Gewand das allerbeste, das man irgend fand,
Trägt man zu allen Zeiten in Brunhildens Land:
Drum laß uns reiche Kleider vor der Frauen tragen,
Daß wirs nicht Schande haben, hört man künftig
von uns sagen.»
357 Da sprach der gute Degen: «So will ich selber gehn
Zu meiner lieben Mutter, ob es nicht mag geschehn,
Daß ihre schönen Mägde uns schaffen solch Gewand,
Das wir mit Ehren tragen in der hehren Jungfrau Land.»
358 Da Sprach von Tronje Hagen mit herrlichen Sitten:
«Was wollt ihr eure Mutter um solche Dienste bitten?
Laßt eure Schwester hören euern Sinn und Muth:
Die ist so kunstreich, unsre Kleider werden gut.»
359 Da entbot er seiner Schwester, er wünsche sie zu sehn
Und auch der Degen Siegfried. Eh sie das ließ geschehn,
Da hatte sich die Schöne geschmückt mit reichem Kleid.
Daß die Herren kamen, schuf ihr wenig Herzeleid.
360 Da war auch ihr Gesinde geziert nach seinem Stand.
Die Fürsten kamen beide; als sie das befand,
Erhob sie sich vom Sitze: wie höfisch sie da gieng,
Als sie den edeln Fremdling und ihren Bruder empfieng!
361 «Willkommen sei mein Bruder und der Geselle sein.
Nun möcht ich gerne wissen,» Sprach das Mägdelein,
«Was euch Herrn geliebe, daß ihr zu Hofe kommt:
Laßt mich doch hören, was euch edeln Recken frommt.»
362 Da sprach König Gunther: «Frau, ich wills euch sagen.
Wir müßen große Sorge bei hohem Muthe tragen:
Wir wollen werben reiten fern in fremdes Land
Und hätten zu der Reise gerne zierlich Gewand.»
363 «Nun sitzt, lieber Bruder,» sprach das Königskind,
«Und laßt mich erst erfahren, Wer die Frauen sind,
Die ihr begehrt zu minnen in fremder Könge Land.»
Die Auserwählten beide nahm das Mägdlein
bei der Hand:
364 Hin gieng sie mit den Beiden, wo sie geseßen war
Auf prächtgen Ruhebetten, das glaubt mir fürwahr,
Mit eingewirkten Bildern, in Gold wohl erhaben.
Sie mochten bei der Frauen gute Kurzweile haben.
365 Freundliche Blicke und gütliches Sehn,
Des mochte von den Beiden da wohl viel geschehn.
Er trug sie in dem Herzen, sie war ihm wie sein Leben.
Er erwarb mit großem Dienste, daß sie ihm ward
zu Weib gegeben.
366 Da sprach der edle König: «Viel liebe Schwester mein,
Ohne deine Hülfe kann es nimmer sein.
Wir wollen abenteuern in Brunhildens Land;
Da müßen wir vor Frauen tragen herrlich Gewand.»
367 Da sprach die Königstochter: «Viel lieber Bruder mein,
Kann euch an meiner Hülfe dabei gelegen sein,
So sollt ihr inne werden, ich bin dazu bereit;
Versagte sie ein Andrer euch, das wäre Kriemhilden leid.
368 „Ihr sollt mich, edler Ritter, nicht in Sorgen bitten,
Ihr sollt nur gebieten mit herrlichen Sitten:
Was euch gefallen möge, dazu bin ich bereit
Und thus mit gutem Willen,“ sprach die wonnigliche
Maid.
369 „Wir wollen, liebe Schwester, tragen gut Gewand:
Das soll bereiten helfen eure weiße Hand.
Laßt eure Mägdlein sorgen, daß es uns herrlich steht,
Da man uns diese Reise doch vergebens widerräth.“
370 Da begann die Jungfrau: „Nun hört, was ich sage,
Wir haben selber Seide: befehlt, daß man uns trage
Gestein auf den Schilden, so schaffen wir das Kleid,
Das ihr mit Ehren traget vor der herrlichen Maid.“
371 „Wer sind die Gesellen,“ sprach die Königin,
„Die mit euch gekleidet zu Hofe sollen ziehn?“
„Das bin ich selbvierter; noch Zwei aus meinem Lehn,
Dankwart und Hagen, sollen mit uns zu Hofe gehn.
372 „Nun merkt, liebe Schwester, wohl, was wir euch sagen:
Sorgt, daß wir vier Gesellen zu vier Tagen tragen
Je der Kleider dreierlei und also gut Gewand,
Daß wir ohne Schande räumen Brunhildens Land.“
373 Das gelobte sie den Recken; die Herren schieden hin.
Da berief der Jungfraun Kriemhild die Königin
Aus ihrer Kemenate dreißig Mägdelein,
Die gar sinnreich mochten zu solcher Kunstübung sein.
374 In arabische Seide, so weiß als der Schnee,
Und gute Zazamanker, so grün als der Klee,
Legten sie Gesteine: das gab ein gut Gewand;
Kriemhild die schöne schnitts mit eigener Hand.
375 Von seltner Fische Häuten Bezüge wohlgethan,
Zu schauen fremd den Leuten, so viel man nur gewann,
Bedeckten sie mit Seide: darein ward Gold getragen:
Man mochte große Wunder von den lichten Kleidern
sagen.
376 Aus dem Land Marocco und auch von Libya
Der allerbesten Seide, die man jemals sah
Königskinder tragen, der hatten sie genug.
Wohl ließ sie Kriemhild schauen, wie sie Liebe für sie trug.
377 Da sie so theure Kleider begehrt zu ihrer Fahrt,
Hermelinfelle wurden nicht gespart,
Darauf von Kohlenschwärze mancher Flecken lag:
Das trügen schnelle Helden noch gern bei einem Hofgelag.
378 Aus arabischem Golde glänzte mancher Stein;
Der Frauen Unmuße war nicht zu klein.
Sie schufen die Gewände in sieben Wochen Zeit;
Da war auch ihr Gewaffen den guten Degen bereit.
379 Als sie gerüstet standen, sah man auf dem Rhein
Fleißiglich gezimmert ein starkes Schiffelein,
Das sie da tragen sollte hernieder an die See.
Den edeln Jungfrauen war von Arbeiten weh.
380 Da sagte man den Recken, es sei für sie zur Hand,
Das sie tragen sollten, das zierliche Gewand.
Was sie erbeten hatten, das war nun geschehn;
Da wollten sie nicht länger mehr am Rheine bestehn.
381 Zu den Heergesellen ein Bote ward gesandt,
Ob sie schauen wollten ihr neues Gewand,
Ob es den Helden wäre zu kurz oder lang.
Es war von rechtem Maße; des sagten sie den Frauen
Dank.
382 Vor wen sie immer kamen, die musten all gestehn,
Sie hätten nie auf Erden schöner Gewand gesehn.
Drum mochten sie es gerne da zu Hofe tragen;
Von beßerm Ritterstaate wuste Niemand mehr zu sagen.
383 Den edeln Maiden wurde höchlich Dank gesagt.
Da baten um Urlaub die Recken unverzagt;
In ritterlichen Züchten thaten die Herren das.
Da wurden lichte Augen getrübt von Weinen und naß.
384 Sie sprach: „Viel lieber Bruder, ihr bliebet beßer hier
Und würbt andre Frauen: klüger schien’ es mir,
Wo ihr nicht wagen müstet Leben und Leib.
Ihr fändet in der Nähe wohl ein so hochgeboren Weib.“
385 Sie ahnten wohl im Herzen ihr künftig Ungemach.
Sie musten alle weinen, was da auch Einer sprach.
Das Gold vor ihren Brüsten ward von Thränen fahl;
Die fielen ihnen dichte von den Augen zuthal.
386 Da sprach sie: „Herr Siegfried, laßt euch befohlen sein
Auf Treu und auf Gnade den lieben Bruder mein,
Daß ihn nichts gefährde in Brunhildens Land.“
Das versprach der Kühne Frau Kriemhilden in die Hand.
387 Da sprach der edle Degen: „So lang mein Leben währt,
So bleibt von allen Sorgen, Herrin, unbeschwert;
Ich bring ihn euch geborgen wieder an den Rhein.
Das glaubt bei Leib und Leben.“ Da dankt’ ihm schön
das Mägdelein.
388 Die goldrothen Schilde trug man an den Strand
Und schaffte zu dem Schiffe all ihr Rüstgewand;
Ihre Rosse ließ man bringen: sie wollten nun hindann.
Wie da von schönen Frauen so großes Weinen begann!
389 Da stellte sich ins Fenster manch minnigliches Kind.
Das Schiff mit seinem Segel ergriff ein hoher Wind.
Die stolzen Heergesellen saßen auf dem Rhein;
Da sprach der König Gunther: „Wer soll nun
Schiffmeister sein?“
390 „Das will ich,“ sprach Siegfried: „ich kann euch
auf der Flut
Wohl von hinnen führen, das wißt, Helden gut;
Die rechten Wasserstraßen sind mir wohl bekannt.“
So schieden sie mit Freuden aus der Burgunden Land.
391 Eine Ruderstange Siegfried ergriff;
Vom Gestade schob er kräftig das Schiff.
Gunther der kühne ein Ruder selber nahm.
Da huben sich vom Lande die schnellen Ritter lobesam.
392 Sie führten reichlich Speise, dazu guten Wein,
Den besten, den sie finden mochten um den Rhein.
Ihre Rosse standen still in guter Ruh;
Das Schiff gieng so eben, kein Ungemach stieß ihnen zu.
393 Ihre starken Segelseile streckte die Luft mit Macht;
Sie fuhren zwanzig Meilen, eh niedersank die Nacht,
Mit günstigem Winde nieder nach der See;
Ihr starkes Arbeiten that noch schönen Frauen weh.
394 An dem zwölften Morgen, wie wir hören sagen,
Da hatten sie die Winde weit hinweggetragen
Nach Isenstein der Veste in Brunhildens Land,
Das ihrer Keinem außer Siegfried bekannt.
395 Als der König Gunther so viel der Burgen sah
Und auch der weiten Marken, wie bald sprach er da:
„Nun sagt mir, Freund Siegfried, ist euch das bekannt?
Wem sind diese Burgen und wem das herrliche Land?
396 "Ich hab all mein Leben, das muß ich wohl gestehn,
So wohlgebauter Burgen nie so viel gesehn
Irgend in den Landen, als wir hier ersahn;
Der sie erbauen konnte, war wohl ein mächtiger Mann."
397 Zur Antwort gab ihm Siegfried: "Das ist mir
wohlbekannt;
Brunhilden sind sie, die Burgen wie das Land
Und Isenstein die Veste, glaubt mir fürwahr:
Da mögt ihr heute schauen schöner Frauen große Schar.
398 "Ich will euch Helden rathen: seid all von einem Muth
Und sprecht in gleichem Sinne, so dünkt es mich gut.
Denn wenn wir heute vor Brunhilden gehn,
So müßen wir in Sorgen vor der Königstochter stehn.
399 "Wenn wir die Minnigliche bei ihren Leuten sehn,
Sollt ihr erlauchte Helden nur Einer Rede stehn:
Gunther sei mein Lehnsherr und ich ihm unterthan;
So wird ihm sein Verlangen nach seinem Wunsche
gethan."
400 Sie waren all willfährig zu thun, wie er sie hieß:
In seinem Uebermuthe es auch nicht Einer ließ.
Sie sprachen, wie er wollte; wohl frommt’ es ihnen da,
Als der König Gunther die schöne Brunhild ersah.
401 "Wohl thu ichs nicht so gerne dir zu lieb allein,
Als um deine Schwester, das schöne Mägdelein.
Die ist mir wie die Seele und wie mein eigner Leib;
Ich will es gern verdienen, daß sie werde mein Weib."
402 Ihr Schifflein unterdessen war auf dem Meer
Zur Burg heran gefloßen: da sah der König hehr
Oben in den Fenstern manche schöne Maid.
Daß er sie nicht erkannte, das war in Wahrheit ihm leid.
403 Er fragte Siegfrieden, den Gesellen sein:
"Hättet ihr wohl Kunde um diese Mägdelein,
Die dort hernieder schauen nach uns auf die Flut?
Wie ihr Herr auch heiße, so tragen sie hohen Muth."
404 Da sprach der kühne Siegfried: "Nun sollt ihr heimlich
spähn
Nach den Jungfrauen und sollt mir dann gestehn,
Welche ihr nehmen wolltet, wär euch die Wahl verliehn."
"Das will ich," sprach Gunther, dieser Ritter schnell
und kühn.
405 "So schau ich ihrer Eine in jenem Fenster an,
Im schneeweißen Kleide, die ist so wohlgethan:
Die wählen meine Augen, so schön ist sie von Leib.
Wenn ich gebieten dürfte, sie müste werden mein Weib."
406 "Dir hat recht erkoren deiner Augen Schein:
Es ist die edle Brunhild, das schöne Mägdelein,
Nach der das Herz dir ringet, der Sinn und auch der Muth."
All ihr Gebaren dauchte König Gunthern gut.
407 Da hieß die Königstochter von den Fenstern gehn
Die minniglichen Maide: sie sollten da nicht stehn
Zum Anblick für die Fremden; sie folgten unverwandt.
Was da die Frauen thaten, das ist uns auch wohl bekannt.
408 Sie zierten sich entgegen den unkunden Herrn,
Wie es immer thaten schöne Frauen gern.
Dann an die engen Fenster traten sie heran,
Wo sie die Helden sahen: das ward aus Neugier gethan.
409 Nur ihrer Viere waren, die kamen in das Land.
Siegfried der kühne ein Ross zog auf den Strand.
Das sahen durch die Fenster die schönen Frauen an:
Große Ehre dauchte sich König Gunther gethan.
410 Er hielt ihm bei dem Zaume das zierliche Ross,
Das war gut und stattlich, stark dazu und groß,
Bis der König Gunther fest im Sattel saß.
Also dient’ ihm Siegfried, was er hernach doch ganz
vergaß.
411 Dann zog er auch das seine aus dem Schiff heran:
Er hatte solche Dienste gar selten sonst gethan,
Daß er am Steigreif Helden gestanden wär.
Das sahen durch die Fenster die schönen Frauen hehr.
412 Es war in gleicher Weise den Helden allbereit
Von schneeblanker Farbe das Ross und auch das Kleid,
Dem einen wie dem andern, und schön der Schilde Rand:
Die warfen hellen Schimmer an der edeln Recken Hand.
413 Ihre Sättel wohlgesteinet, die Brustriemen schmal:
So ritten sie herrlich vor Brunhildens Saal;
Daran hiengen Schellen von lichtem Golde roth.
Sie kamen zu dem Lande, wie ihr Hochsinn gebot,
414 Mit Speren neu geschliffen, mit wohlgeschaffnem
Schwert,
Das bis auf die Sporen gieng den Helden werth.
Die Wohlgemuthen führten es scharf genug und breit.
Das alles sah Brunhild, diese herrliche Maid.
415 Mit ihnen kam auch Dankwart und sein Bruder Hagen:
Diese beide trugen, wie wir hören sagen,
Von rabenschwarzer Farbe reichgewirktes Kleid;
Neu waren ihre Schilde, gut, dazu auch lang und breit.
416 Von India dem Lande trugen sie Gestein,
Das warf an ihrem Kleide auf und ab den Schein.
Sie ließen unbehütet das Schifflein bei der Flut;
So ritten nach der Veste diese Helden kühn und gut.
417 Sechsundachtzig Thürme sahn sie darin zumal,
Drei weite Pfalzen und einen schönen Saal
Von edelm Marmelsteine, so grün wie das Gras,
Darin die Königstochter mit ihrem Ingefinde saß.
418 Die Burg war erschloßen und weithin aufgethan,
Brunhildes Mannen liefen alsbald heran
Und empfiengen die Gäste in ihrer Herrin Land.
Die Rosse nahm man ihnen und die Schilde von der Hand.
419 Da sprach der Kämmrer Einer: "Gebt uns euer Schwert
Und die lichten Panzer." "Das wird euch nicht
gewährt,"
Sprach Hagen von Tronje, "wir wollens selber tragen."
Da begann ihm Siegfried von des Hofs Gebrauch
zu sagen:
420 "In dieser Burg ist Sitte, das will ich euch sagen,
Keine Waffen dürfen da die Gäste tragen:
Laßt sie von hinnen bringen, das ist wohlgethan."
Ihm folgte wider Willen Hagen, König Gunthers Mann.
421 Man ließ den Gästen schenken und schaffen gute Ruh.
Manchen schnellen Recken sah man dem Hofe zu
Allenthalben eilen in fürstlichem Gewand;
Doch wurden nach den Kühnen ringsher die Blicke
gesandt.
422 Nun wurden auch Brunhilden gesagt die Mären,
Daß unbekannte Recken gekommen wären
In herrlichem Gewande gefloßen auf der Flut.
Da begann zu fragen diese Jungfrau schön und gut:
423 "Ihr sollt mich hören laßen," sprach das Mägdelein,
"Wer die unbekannten Recken mögen sein,
Die ich dort stehen sehe in meiner Burg so hehr,
Und wem zu Lieb die Helden wohl gefahren sind hieher."
424 Des Gesindes sprach da Einer: "Frau, ich muß gestehn,
Daß ich ihrer Keinen je zuvor gesehn;
Doch Einer steht darunter, der Siegfrieds Weise hat:
Den sollt ihr wohl empfangen, das ist in Treuen
mein Rath.
425 "Der andre der Gesellen, gar löblich dünkt er mich;
Wenn er die Macht besäße, zum König ziemt’ er sich
Ob weiten Fürstenlanden, sollt er die versehn.
Man sieht ihn bei den Andern so recht herrlich da stehn.
426 "Der dritte der Gesellen, der hat gar herben Sinn,
Doch schönen Wuchs nicht minder, reiche Königin.
Die Blicke sind gewaltig, deren so viel er thut:
Er trägt in seinem Sinne, wähn ich, grimmigen Muth.
427 "Der jüngste darunter, gar löblich dünkt er mich:
Man sieht den reichen Degen so recht minniglich
In jungfräulicher Sitte und edler Haltung stehn:
Wir müstens alle fürchten, wär ihm ein Leid hier
geschehn.
428 "So freundlich er gebahre, so wohlgethan sein Leib,
Er brächte doch zum Weinen manch waidliches Weib,
Wenn er zürnen sollte; sein Wuchs ist wohl so gut,
Er ist an allen Tugenden ein Degen kühn
und wohlgemuth."
429 Da sprach die Königstochter: "Nun bringt
mir mein Gewand:
Und ist der starke Siegfried gekommen in mein Land
Um meiner Minne willen, es geht ihm an den Leib:
Ich fürcht ihn nicht so heftig, daß ich würde sein Weib."
430 Brunhild die schöne trug bald erlesen Kleid.
Auch gab ihr Geleite manche schöne Maid,
Wohl hundert oder drüber, sie all in reicher Zier.
Die Gäste kam zu schauen manches edle Weib mit ihr.
431 Mit ihnen giengen Degen aus Isenland,
Brunhildens Recken, die Schwerter in der Hand,
Fünfhundert oder drüber; das war den Gästen leid.
Aufstanden von den Sitzen die kühnen Helden allbereit.
432 Als die Königstochter Siegfrieden sah,
Wohlgezogen sprach sie zu dem Gaste da:
"Seid willkommen, Siegfried, hier in diesem Land.
Was meint eure Reise? das macht mir, bitt ich, bekannt."
433 "Viel Dank muß ich euch sagen, Frau Brunhild,
Daß ihr mich geruht zu grüßen, Fürstentochter mild,
Vor diesem edeln Recken, der hier vor mir steht:
Denn der ist mein Lehnsherr; der Ehre Siegfried
wohl enträth.
434 "Er ist am Rheine König: was soll ich sagen mehr?
Dir nur zu Liebe fuhren wir hierher.
Er will dich gerne minnen, was ihm geschehen mag.
Nun bedenke dich bei Zeiten: mein Herr läßt
nimmermehr nach.
435 "Er ist geheißen Gunther, ein König reich und hehr.
Erwirbt er deine Minne, nicht mehr ist sein Begehr.
Deinthalb mit ihm that ich diese Fahrt;
Wenn er mein Herr nicht wäre, ich hätt es sicher gespart."
436 Sie sprach: "Wenn er dein Herr ist und du in seinem
Lehn,
Will er, die ich ertheile, meine Spiele dann bestehn
Und bleibt darin der Meister, so werd ich sein Weib;
Doch ists, daß ich gewinne, es geht euch allen
an den Leib."
437 Da sprach von Tronje Hagen: "So zeig uns, Königin,
Was ihr für Spiel’ ertheilet. Eh euch den Gewinn
Mein Herr Gunther ließe, so müst es übel sein:
Er mag wohl noch erwerben ein so schönes Mägdelein."
438 "Den Stein soll er werfen und springen darnach,
Den Sper mit mir schießen: drum sei euch nicht zu jach.
Ihr verliert hier mit der Ehre Leben leicht und Leib:
Drum mögt ihr euch bedenken," sprach das minnigliche
Weib.
439 Siegfried der schnelle gieng zu dem König hin
Und bat ihn, frei zu reden mit der Königin
Ganz nach seinem Willen; angstlos soll er sein:
"Ich will dich wohl behüten vor ihr mit den Listen mein."
440 Da sprach der König Gunther: "Königstochter hehr,
Ertheilt mir, was ihr wollet, und wär es auch noch mehr,
Eurer Schönheit willen bestünd ich Alles gern.
Mein Haupt will ich verlieren, gewinnt ihr mich nicht
zum Herrn."
441 Als da seine Rede vernahm die Königin,
Bat sie, wie ihr ziemte, das Spiel nicht zu verziehn.
Sie ließ sich zum Streite bringen ihr Gewand,
Einen goldnen Panzer und einen guten Schildesrand.
442 Ein seiden Waffenhemde zog sich an die Maid,
Das ihr keine Waffe verletzen konnt im Streit,
Von Zeugen wohlgeschaffen aus Libya dem Land:
Lichtgewirkte Borten erglänzten rings an dem Rand.
443 Derweil hatt ihr Uebermuth den Gästen schwer gedräut.
Dankwart und Hagen die standen unerfreut.
Wie es dem Herrn ergienge, sorgte sehr ihr Muth.
Sie dachten: "Unsre Reise bekommt uns Recken
nicht gut."
444 Derweilen gieng Siegfried, der listige Mann,
Eh es wer bemerkte, an das Schiff heran,
Wo er die Tarnkappe verborgen liegen fand,
In die er hurtig schlüpfte: da war er Niemand bekannt.
445 Er eilte bald zurücke und fand hier Recken viel:
Die Königin ertheilte da ihr hohes Spiel.
Da gieng er hin verstohlen und daß ihn Niemand sah
Von Allen, die da waren, was durch Zauber geschah.
446 Es war ein Kreis gezogen, wo das Spiel geschehn
Vor kühnen Recken sollte, die es wollten sehn.
Wohl siebenhundert sah man Waffen tragen:
Wer das Spiel gewänne, das sollten sie nach Wahrheit sagen.
447 Da war gekommen Brunhild, die man gewaffnet fand,
Als ob sie streiten wolle um aller Könge Land.
Wohl trug sie auf der Seide viel Golddrähte fein;
Ihre minnigliche Farbe gab darunter holden Schein.
448 Nun kam ihr Gesinde, das trug herbei zuhand
Aus allrothem Golde einen Schildesrand
Mit hartem Stahlbeschlage, mächtig groß und breit,
Worunter spielen wollte diese minnigliche Maid.
449 An einer edeln Borte ward der Schild getragen,
Auf der Edelsteine, grasgrüne, lagen;
Die tauschten mannigfaltig Gefunkel mit dem Gold.
Er bedurfte großer Kühnheit, dem die Jungfrau
wurde hold.
450 Der Schild war untern Buckeln, so ward uns gesagt,
Von dreier Spannen Dicke; den trug hernach die Magd.
An Stahl und auch an Golde war er reich genug,
Den ihrer Kämmrer Einer mit Mühe selbvierter trug.
451 Als der starke Hagen den Schild hertragen sah,
In großem Unmuthe sprach der Tronjer da:
"Wie nun, König Gunther? An Leben gehts und Leib:
Die ihr begehrt zu minnen, die ist ein teuflisches Weib."
452 Hört noch von ihren Kleidern: deren hatte sie genug.
Von Azagauger Seide einen Wappenrock sie trug,
Der kostbar war und edel: daran warf hellen Schein
Von der Königstochter gar mancher herrliche Stein.
453 Da brachten sie der Frauen mächtig und breit
Einen scharfen Wurfspieß; den verschoß sie allezeit,
Stark und ungefüge, groß dazu und schwer.
An seinen beiden Seiten schnitt gar grimmig der Sper.
454 Von des Spießes Schwere höret Wunder sagen:
Wohl hundert Pfund Eisen war dazu verschlagen.
Ihn trugen mühsam Dreie von Brunhildens Heer:
Gunther der edle rang mit Sorgen da schwer.
455 Er dacht in seinem Sinne: "Was soll das sein hier?
Der Teufel aus der Hölle, wie schützt’ er sich vor ihr?
War ich mit meinem Leben wieder an dem Rhein,
Sie dürfte hier wohl lange meiner Minne ledig sein."
456 Er trug in seinen Sorgen, das wißet, Leid genug.
All seine Rüstung man ihm zur Stelle trug.
Gewappnet Stand der reiche König bald darin.
Vor Leid hätte Hagen schier gar verwandelt den Sinn.
457 Da sprach Hagens Bruder, der kühne Dankwart:
"Mich reut in der Seele her zu Hof die Fahrt.
Nun hießen wir einst Recken! wie verlieren wir den Leib!
Soll uns in diesem Lande nun verderben ein Weib?
458 "Des muß mich sehr verdrießen, daß ich kam
in dieses Land.
Hätte mein Bruder Hagen sein Schwert an der Hand
Und auch ich das meine, so sollten sachte gehn
Mit ihrem Uebermuthe Die in Brunhildens Lehn.
459 Sie sollten sich bescheiden, das glaubet mir nur.
Hätt ich den Frieden tausendmal bestärkt mit einem
Schwur,
Bevor ich sterben sähe den lieben Herren mein,
Das Leben müste laßen dieses schöne Mägdelein."
460 "Wir möchten ungefangen wohl räumen dieses Land,"
Sprach sein Bruder Hagen, "hätten wir das Gewand,
Des wir zum Streit bedürfen, und die Schwerter gut,
So sollte sich wohl sänften der schönen Fraue
Uebermuth."
461 Wohl hörte, was er sagte, die Fraue wohlgethan;
Ueber die Achsel sah sie ihn lächelnd an.
"Nun er so kühn sich dünket, so bringt doch ihr Gewand,
Ihre scharfen Waffen gebt den Helden an die Hand.
462 "Es kümmert mich so wenig, ob sie gewaffnet sind,
Als ob sie bloß da stünden," so sprach das Königskind.
"Ich fürchte Niemands Stärke, den ich noch je gekannt:
Ich mag auch wohl genesen im Streit vor des Königs
Hand."
463 Als man die Waffen brachte, wie die Maid gebot,
Dankwart der kühne ward vor Freuden roth.
"Nun spielt, was ihr wollet," sprach der Degen werth,
"Gunther ist unbezwungen: wir haben wieder unser
Schwert."
464 Brunhildens Stärke zeigte sich nicht klein:
Man trug ihr zu dem Kreise einen schweren Stein,
Groß und ungefüge, rund dabei und breit.
Ihn trugen kaum zwölfe dieser Degen kühn im Streit.
465 Den warf sie allerwegen, wie sie den Sper verschoß.
Darüber war die Sorge der Burgunden groß.
"Wen will der König werben?" sprach da Hagen laut:
"Wär sie in der Hölle doch des übeln Teufels Braut!"
466 An ihre weißen Arme sie die Ärmel wand,
Sie schickte sich und faßte den Schild an die Hand,
Sie schwang den Spieß zur Höhe: das war des Kampfe
Beginn.
Gunther und Siegfried bangten vor Brunhildens
grimmem Sinn.
467 Und wär ihm da Siegfried zu Hülfe nicht gekommen,
So hätte sie dem König das Leben wohl benommen.
Er trat hinzu verstohlen und rührte seine Hand;
Gunther seine Künste mit großen Sorgen befand.
468 "Wer wars, der mich berührte?" dachte der kühne Mann,
Und wie er um sich blickte, da traf er Niemand an.
Er sprach: "Ich bin es, Siegfried, der Geselle dein:
Du sollst ganz ohne Sorge vor der Königin sein."
469 (Er sprach:) "Gieb aus den Händen den Schild,
laß mich ihn tragen
Und behalt im Sinne, was du mich hörest sagen:
Du habe die Gebärde, ich will das Werk begehn."
Als er ihn erkannte, da war ihm Liebes geschehn.
470 "Verhehl auch meine Künste, das ist uns beiden gut:
So mag die Königstochter den hohen Uebermuth
Nicht an dir vollbringen, wie sie gesonnen ist:
Nun sieh doch, welcher Kühnheit sie wider dich