Derzeit gibt es sehr viele Fragen und widersprüchliche Informationen hinsichtlich Tibetischer Klangschalen (TKS) und damit verbundenen Praktiken und Behandlungen. Besonders viele Fragen treten im Aspekt des Begriffs «Massage» mit TKS auf. Außerdem sind diese Widersprüchlichkeiten weitgehend durch das Nichtvorhandensein der standardisierten Beschreibung oder zumindest einer genau erhaltenen Tradition der Anwendung von TKS bedingt. In den Kommentaren zahlreicher Diskussionen tauschen die Gegner Ihre Erfahrungen über TKS aus und vergessen oft dabei, dass einige von ihnen durch das Aufsetzen der Schalen auf den Körper und andere – durch berührungslose Manipulationen mit den Schalen behandelt wurden. Und in diesen wenigen Jahrzehnten in denen die Europäer über die Existenz von TKS wissen entstanden, in völliger Abwesenheit von wissenschaftlicher Begründung oder ernsthafter Forschungsarbeit, viele Legenden und Mythen. Die Publikationen solcher Art sind reich an Begriffe «Aura, «Chakren», «Energie», «Astralwelt», «Planetenton» usw.
Unterdessen ist es rücksichtslos abzusprechen, dass die TKS-Praktiken einen Einfluss auf den menschlichen Körper und seinen Zustand (physischen oder psychoemotionalen) haben. Da, wenn auch nur nach subjektiven Einschätzungen und bei der Abwesenheit von ernsthaften wissenschaftlichen Studien, merken trotzdem viele Empfänger der Klangmassage die eindeutigen Veränderungen des Gesundheitszustandes an. Selbst wenn durch die Behandlung mit TKS bei einer Person der Placebo-Effekt hervorgerufen wird, halte ich die Verwendung von TKS für vernünftig und gerechtfertigt, weil sie die körperlichen oder geistigen Leiden dieser Person lindert oder beseitigt. Dabei sollen die potenziellen «Meister» vor dem allgegenwärtigen Einsatz von TKS ohne Vorkenntnisse, Ausbildung, ausreichende, vorläufige und selbstständige Praxis und ohne Training, ohne Rücksicht auf die möglichen Kontraindikationen gegen die Verwendung von TKS gewarnt werden1.
Es ist schwer zu sagen, dass die TKS-Praktiken direkt zur Massage gehören und sie in diesem Aspekt der Einwirkung zu betrachten sind. Es ist wahrscheinlich vernünftiger, sie im Falle einer Kontaktanwendung den physiotherapeutischen Einwirkungen zuordnen und im Falle einer kontaktloser Anwendung – dem Bereich der Psychologie. Sogar die Vorstellung über die Klangmassage unterscheidet sich bei verschiedenen Autoren: Einige verstehen unter Klangschalenmassage eine Art Massage durch Töne, die die Schalen während der Konzerte der meditativen Musik erzeugen. Und die anderen verstehen darunter eine Art Massage mit direktem Kontakt der Schale mit dem Körper. Und doch, wenn ich die Methode der Anwendung von TKS in der Tradition in der ich diese Technik praktiziere in Betracht ziehen werde, werde ich den Begriff «Massage» benutzen, da genau so bezeichnete diese Praktik einer der Meister im Himälaja, der mir diese Praktik beigebracht hatte. Meine Gegner behaupten, dass es vom Standpunkt der Wissenschaft aus kein richtiger Begriff dafür ist. Ich stimme auch diesen Widersprüchen zu, aber an der Tradition anknüpfend, verbleibe ich trotzdem bei meiner Meinung.
Vielleicht ist es sinnvoll, sich bei der Betrachtung der Wirkung von TKS aus materialistischer und mechanischer Sicht auf eine nach der Mechanik der Einwirkung verwandte Methode der Myotonischen Massage mit Hilfe von neurologischen Stimmgabeln zu stützen, die von Tiina Orasmae bei der Intercharm—Messe am 6.Mai 2002 präsentiert und in der Zeitschrift «Les Nouvelles Esthetiques» veröffentlicht wurde: «diese Technik ist physiologisch begründet. Wir verwenden speziell berechnete Frequenzen. Ich arbeite jetzt hauptsächlich mit einer speziellen Frequenz von 128 Hz – das ist die normale Schwingungsfrequenz des Gesichtsmuskels. Darüber hinaus verbessern sich dabei der Blutfluss und der Lymphabfluss. Dies wurde im Laufe der physiologischenTierversuche bewiesen. Diese Vibrationsmassage ist nur ein wenig ungewöhnliche Technik, wo anstelle eines großen Vibrationsapparats eine Stimmgabel verwendet wird.» Und auch auf die Werke von Dr. John Beaulieu, der auch lymphatische und kraniale Behandlungen mit Hilfe von Stimmgabeln beschreibt2.
In Bezug auf die ausländischen Quellenwerke über Klang-, Musik-, Gong -Praktiken und Tibetische Klangschalen-Praktiken sehen wir, dass die Meinungen dort auch relativ heterogen sind. Zum Beispiel Dr. Mitchell L. Gaynor, der Onkologe und klinischer Assistenzprofessor für Medizin am Weill Medical College of Cornell University in New York, der Autor von «the Healing Power of Sound: Recovery from Life-Threatening Illness Using Sound, Voice, and Music», unterscheidet Behandlung und Heilung: «der Begriff „Behandlung“ bedeutet, dass körperlich etwas verbessert werden kann, während „Heilung“ sich auf Integrität, Einigung des Sinnes, Körpers und Geistes bezieht. Dr. Mithell L. Gaynor, der eine Onkologie-Praxis in Manhattan hat, hält die Heilung durch den Klang für die integrative Medizin: keine Alternative zur Wissenschaft, sondern eine Ergänzung davon»3.