1 Erich Maria Remarque und sein künstlerisches Erbe

„Ich will meine Leser weder überzeugen noch überreden oder erziehen. Ich beschreibe, was mich bewegt."

„Ich habe versucht, das Gefühl für Verantwortung ein wenig zu schärfen. Am Ende kommt es darauf an, was nicht passiert."

„Mein Thema ist der Mensch dieses Jahrhunderts, die Frage der Humanität. Und mein Credo ist:

Unabhängigkeit, Toleranz, Humor."

Erich Maria Remarque

Erich Paul Remark, der sich seit 1923 als Erich Maria Remarque nennt, wurde am 22 Juni 1898 als Sohn eines Buchbinders in Osnabrück geboren.

Bei dem Familiennamen Remarque handelt es sich nicht um ein Pseudonym. Die Geburtskunde des Schriftstellers verzeichnet den Namen Erich Maria Remark; die Eltern sind Peter Franz Remark und Anna Maria Remark (geb. Stallknecht). Es geht also nur um die Umwandlung des auslautenden deutschen – k in das franz. – que. In einigen Ausgaben der einzelnen Werke von E.M. Remarque kann man auch andere Meinungen lesen, wie, z.B. in der Roman-Zeitung, die „Nacht von Lissabon“ publiziert: „Erich Mana Remarque, einer der erfolgreichsten Romanschriftsteller unseres Jahrhunderts, hieß eigentlich Erich Paul Kramer“.

Er besuchte ein katolisches Lehrerseminar und wollte zunächst Musiker, dann Maler werden. 1916 kam er von der Schulbank als Freiwilliger an die Westfront, wo er mehrfach verwundet wurde. Nach Kriegsende versuchte er sich in verschiedenen Berufen, war Buchhalter, Korrespondent, Kaufmann, Agent für Grabsteine, Reklamechef, Organist, Volksschullehrer und Theaterkritiker. Ab 1923 war er Redakteur an der Reklamezeitung „Echo Continental“ in Hannover und ab 1925 – Sportjournalist und Bildredakteur bei der Zeitung „Sport im Bild“ in Berlin. Er verfaßte Reklametexte, Berichte über Autos, Motoren und Autorennen und erfand bunte Reisebilder aus fremden Ländern. Er interessierte sich für philosophische Werke F. Nietzsches und A. Schopenhauers und für literarische Werke K. Hamsuns, J. Londons und E. Hemingways.

Die ersten Skizzen und Kurzgeschichten E. M. Remarques, sowie sein erster Roman „Die Traumbude“ (1920) fanden in der literarischen Öffentlichkeit wenig Beachtung. Auch mit dem zweiten Roman „Station am Horizont“ (1927) konnte E.M. Remarque die Grenzen trivialer Unterhaltungsliteratur nicht überschreiten.

1928 erschien E.M. Remarques Anti-Kriegsroman „Im Westen nichts Neues", der mit einer Auflage von weltweit 25 Millionen zu einem der größten Romanerfolge wurde. 1928 war der Roman eine Sensation. Durch diesen (bereits im April 1930 verfilmten) Roman wurde E.M. Remarque über Nacht weltberühmt. Innerhalb von 18 Monaten erreichte der Roman eine Auflage von 3,5 Millionen, wurde in 12 Sprachen übersetzt, und sein Verfasser wurde sogar für den Nobelpreis vorgeschlagen. Das Buch war sofort Gegenstand erbitterter politischer Auseinandersetzungen. Für die einen war es eine nüchterne ehrliche Beschreibung des Kriegswahnsinns, für die anderen eine bewußte Beleidigung der Frontsoldaten. Seinen sensationeilen Welterfolg, welchen noch nie ein deutsches Buch zu verzeichnen hatte, verdankte der Roman dem Thema „Zerstörung einer Generation durch den Krieg". Dieser Roman war das erste bedeutende Zeugnis der sogenannten „verlorenen Generation" auf deutschem Boden, einer Generation, für die alle Götter tot, alle Schlachten geschlagen, und der Glaube an den Menschen erschüttert war. Davon zeugen auch die Worte des Haupthelden Paul Bäumer: „Wir sind verlassen wie Kinder und erfahren wie alte Leute, wir sind roh und traurig und oberflächlich, – ich glaube, wir sind verloren".

Der Verleger des Buches Ullstein erklärte E.M. Remarques Welterfolg dadurch, dass „die Wahrhaftigkeit des Werkes uns alle unser größtes Erlebnis noch einmal erleben ließ". Im Gegensatz zu den sentimentalen schneidig-heroischen Kriegserinnerungen des Offizierskorps berichtete E.M. Remarque mit pedantischer Sachlichkeit vom Kriegserlebnis der einfachen Soldaten. Er schilderte das Erlebnis des 1. Welkrieges als der Krieg des kleinen Mannes. Mit der desillusionierenden, teils naturalistischen, teils sentimentalen Geschichte vom Leben und Sterben des 19-jährigen Paul Bäumer und seiner Kameraden wirkte dieser Roman als eine bewußte Anklage gegen den Krieg.

1931 erschien der Fortsetzungsroman „Der Weg zurück(Film 1937), wo die verlorene Generation zuerst in die letzten erfolglosen Abwehrkämpfe der deutschen Armee kurz vor dem Waffenstillstand verstrickt wird und dann den Rückmarsch nach Deutschland – den „Weg zurück ins Leben" – beginnt. Den früheren Frontsoldaten bleibt auch im zivilen Leben der Nachkriegszeit nur Verzweiflung und müde Apathie. Die einen begehen Selbstmord, den anderen gelingt es, sich der Zeit irgendwie anzupassen. Immer sind sie aber späte Opfer des Kriegs, der sie geprägt hat. Ihre Generation ist von Lüge umgeben, mißbraucht und entrechtet, ihr sind alle Lebenshorizonte versperrt, ihr bleibt nur die Verbitterung und große Enttäuschung.

E.M. Remarque zeigte in beiden Romanen, wie der Krieg eine ganze Generation zerstört, gleich ob ihre Vertreter an der Front umkommen, oder in der Nachkriegszeit weiter leben müssen. Darum wurden die beiden Werke im Dritten Reich verboten und öffentlich verbrannt, und dem Schriftsteller die deutsche Staatsbürgerschaft abgesprochen.

Bis 1938 erschien kein neues Werk. Der Schriftsteller erklärte sein langes Schweigen selbst: „Als Hitler mich aus Deutschland vertrieb, war mein dritter Roman „Drei Kameraden“ beinahe fertig. Es war ein solcher Schock für mich, Deutschland verlassen zu müssen, dass ich 4 Jahre brauchte, um das Buch zu Ende zu schreiben."

Ab 1931 lebte E.M. Remarque in der Schweiz (Ascona) und ab 1939 in den USA (New Jork), wo er die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm.

1925 heiratete E.M. Remarque die schöne Tänzerin Ilse Zambona, ließ sich aber 1931 von ihr scheiden.

Nach 1945 lebte er abwechselnd in Porto Ronco (Schweiz), in New Jork und in Rom. 1958 heiratete er Paulette Goddard (Charlie Chaplins Ex-Gattin).

E.M. Remarque trat keiner Partei bei und hielt immer äußerste Distanz zur Sowjetunion J. Stalins.

Im Romanbestseller „Drei Kameraden“ (1938, Film 1938) nahm E. M Remarque das Thema der Kameradschaft und Liebe auf. Der verlorene und verzweifelte Mensch versucht in der Kameradschaft einen Raum zu finden, in den er zeitweilig flüchten kann, um der Einsamkeit zu entgehen. Die rauhe Wirklichkeit wirft ihn aber bald aus der Kameradschaft in die völlige Isolation, Verbitterung und Gleichgültigkeit.

Auch in allen weiteren – oft melodramatisch-tragisch gefärbten – Werken erwies sich E.M. Remarque als ein packender Erzähler. Mit scharfem Wirklichkeitssinn griff er politisch aktuelle Stoffe (Inflation, Exil u.a.) auf und stellte sie am Schicksal einer Vielzahl von Menschentypen auf dem Hintergrund ihres Kampfes um die Existenz dar. Diese Werke machten E. M. Remarque zu einem der erfolgreichsten Romanschriftsteller des 20. Jahrhunderts.

Der antifaschistische Roman „Liebe deinen Nächsten(1940, Film 1940) berichtet von Menschen, die aus politischen oder rassischen Gründen aus Hitlerdeutschland flüchten und durch die Gestapo von Ort zu Ort und schließlich in den Tod getrieben werden. Das sind keine vollwertigen Menschen mehr, sondern nur „Leichen auf Urlaub", wie es im Roman heißt. E.M. Remarque erhebt in diesem Roman die Nächstenliebe zum Grundprinzip menschlichen Verhaltens.

Ein Blick auf die Werke, die nach „Liebe deinen Nächsten" veröffentlicht wurden, erhellt, dass das Thema des Antifaschismus zum Grundthema bei E.M., Remarque geworden ist. Auch ihre Hauptfiguren sind als Verfemte des Lebens konzipiert. Das sind isolierte, verwüstete, schwache und skeptische Gestalten ohne jedes Verständnis für die Epoche, in der sie leben. Auch sie sind von Lüge, Heuchelei und Bosheit umgeben.

Der literarische Erfolg blieb E.M. Remarque auch in der Nachkriegszeit treu. Mit seinem abenteuerlichen Emigranten-Roman „Arc de Triomphe" /Triumphbogen" (1946, Film 1948) erzielte er seinen zweiten Welterfolg. Roman wurde bald zum größten Bestseller des Autors. Im Mittelpunkt des Geschehens steht auch hier das vom Faschismus gejagte Individuum – ein deutscher Frauenarzt, der aus der Gestapo-Haft flüchtet und ohne Papiere unter anderen europäischen Flüchtlingen in der Pariser Unterwelt in den Jahren 1938/39 leben muss. Das Lebensnotwendige verdient sich dieser Chirurg in einer Privatklinik, wo er Schwarzarbeit verrichtet. Er trinkt, bummelt, spielt Schach und philosophiert. Er. ist ein erfahrener Spötter. Verloren und einsam steht er vor uns. Er will nichts von Politik wissen, er weiß nichts von der internationalen Solidarität mit dem kämpfenden spanischen Volk. Und er handelt darum isoliert. Auf einem Boulevard trifft er zufällig seinen Peiniger aus dem KZ und ermordet ihn.

Im KZ-Roman „Ein Funke Leben“ (1952), der auf Dokumenten und Zeugenberichten basiert, gestaltet E.M. Remarque den heroischen Widerstand deutscher Antifaschisten in einem nazistischen KZ-Lager in den letzten Monaten des 2. Weltkrieges. Er denkt dabei auch an seine Schwester, die von den Nazis ermordet war. Der Hauptheld des Romans, an dem im KZ medizinische Todesexperimente vorgenommen werden und der als Nummer 509 zusammen mit den anderen Arbeitsunfähigen untergebracht werden soll, hilft der organisierten Widerstandsbewegung. Als er erfährt, dass sich die Alliierten dem KZ-Lager nähern, erwacht in ihm ein Funke Leben – der Wille, um jeden Preis zu überleben. Bei der Befreiung des Lagers schießt er einen SS-Anführer nieder, wird aber selbst tädlich verletzt und stirbt zusammen mit seinem Feind. Er handelt allein, aber er handelt für die Gemeinschaft. Seine Tat ist also ein letzter heroischer Aufstand des Indviduums gegen die Naziherrschaft.

Der Roman „Zeit zu leben und Zeit zu sterben" (1954) ist E.M.Remarques Beitrag zur Diskussion der nationalen Schuld des deutschen Volkes am 2. Weltkrieg. E.M. Remarque macht den Versuch, den Roman einer nationalen Tragödie zu schreiben und seinen Widerstand gegen den wiedererstehenden Militarismus durch die Darstellung der Trümmerwüsten deutscher Städte, der faschistischen Grausamkeiten in Russland und anderer Schrecken des Krieges zu zeigen. Das Gefühl der Mitschuld lässt E.M. Remarque seinen Haupthelden „mit höchster Strenge" (dem sinnlosen, unheroischen Tod) verurteilen, was das tragische Geschick des deutschen Volkes symbolisiert, das zweimal während eines Vierteljahrhunderts vom deutschen Militarismus in den Krieg getrieben wird und für die Interessen der Weltherrscher und Finanzoligarchie bluten muss.

Die Helden dieses Romans repräsentieren auch die verlorene Generation. Als sie zur Kenntnis gelangen, dass der Krieg unwiderruflich verloren ist, meint der Hauptheld des Romans, der junge Soldat Ludwig Graeber: „Wir können nirgendwo mehr hin. Was träumen wir nur! Wir sind gefangen und ausgeschlossen und verflucht… Ich weiß seit einiger Zeit nichts mehr. Früher war alles klar, und jetzt ist alles durcheinander. Ich möchte einschlafen und in einer anderen Zeit erwachen. Ich habe verdammt spät angefangen zu denken. Ich bin nicht stolz darauf.“

Der junge Soldat erlebt den Zusammenbruch der verlogenen Welt mit ihren versteinten „heroischen" Vorstellungen von dem Krieg, mit denen er aufgewachsen ist, und er beginnt nachzudenken. In ihm erwacht der Widerstandswille, er fühlt einen Antrieb zur Aktion gegen den Faschismus und will die Schuld der Deutschen reinigen. Sein Gefühl der Mitschuld läßt ihn handeln und er hilft flüchtigen Antifaschisten. Aus humaner Empörung erschießt er einen Massenmörder; um ihn an weiteren Mordtaten zu hindern, und rettet gefangene russische Bauern. Diese humane Tat des jungen Soldaten zeigt, dass die Kräfte des Guten in der deutschen Nation über das Böse triumphieren können.

E.M. Remarque lässt aber seinen Helden unmittelbar nach vollbrachter Tat einen sinnlosen Tod finden (er wird von einem der geretteten Bauern niedergeschossen), um auf die Sinnlosigkeit des Kriegs hinzuweisen und die kollektive Schuld der Deutschen zu betonen. So verurteilt er den Krieg, den der Faschismus dem deutschen Volk aufgezwungen hat, als widersinniges Schicksal. Sein Held lebt das Schicksal voll aus, das das deutsche Volk betrifft. Er symbolisiert die deutsche Nation im Widerstreit zwischen Barbarei und Humanität. Der Widerstand gegen den Faschismus ist zugleich die Hoffnung, dass das deutsche Volk einen Weg in die Zukunft findet, wo alles anders werde. Die Geliebte des gefallenen Soldaten bringt ein Kind zur Welt gerade deshalb, um es gegen den Krieg zu erziehen. „Sollen nur die Barbaren Kinder haben? Wer soll dann die Welt in Ordnung bringen?" fragt sie. Ihre Liebe hat also einen Sinn. Dieser Optimismus ist etwas Neues in E.M. Remarques Werken.

Der Roman „Der schwarze Obelisk“ (1956) führt in die Weimarer Republik des Jahres 1923 zurück. Die Kriegsgewinner und Schieber und die deutsche Bourgeoisie wollen politisch im trüben fischen und bereichern sich an dunklen Geschäften und an Spekulationen, indem sie Arbeiter, Bauern, Angestellte, kleine Geschäftsleute und Künstler in unvorstellbare Not und Verzweiflung stürzen. In diesem Roman bestätigt sich E.M. Remarques Einsicht aus den 30ger Jahren: „Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hineingehen müssen."

Die Hauptfigur des Buches, der Ich-Erzähler Ludwig Bodmer, erlebt die wirre Zeit der Inflation in Deutschland. In seinem Lebensgang begegnen ihm Ereignisse von grotesker Komik und erschütternder Tragik, die davon zeugen, dass seine Wahrheitssuche nie zu Ende ist. Bodmer hat viel durch das Leben gelitten. Im ersten Weltkrieg hat er als jünger Soldat das Töten und den Zynismus kennengelernt. Jetzt rettet er sich oft in eine bittere Ironie. Er verdient sein Brot im Grabsteinunternehmen seines Kriegskameraden als Zeichner und Werbeleiter und ab und zu auch als Orgelspieler. Aber sogar unter seinen ehemaligen Frontkameraden fühlt er sich unendlich einsam und verlassen. Die Frontkameradschaft und seine Liebe scheitern vor der rauhen Wirklichkeit. Doch sagt er: „Ich will wissen" statt „Ich weiß nicht". Darum strebt er nach Wahrheit und forscht nach dem Sinn des Lebens, des Todes, der Liebe und des Gottes. Er interessiert sich für Wissenschaft und Religion und streitet über Krieg und Frieden. Am Anfang des Romans fragt sich Bodmer: „Wozu lebe ich?" Am Ende weiß er es: „Um zu leben.“ Er hat es durch Isabelle, seine schwerkranke Geliebte erfahren, die in ihrem Zustand frei war und ausrufen konnte: „Du süßes und geliebtes Leben, ich glaube, ich habe endlich gefunden, was Liebe ist! Es ist Leben, nichts als Leben!"

In diesem Roman zeigen sich deutlich starke autobiographische Züge. E.M. Remarque will durch sein Werk Rechenschaft über seine verlorene Jugend und weltanschauliche Entwicklung ablegen. Eindrucksvoll und realistisch gestaltet er viele Szenen im Roman, besonders die Kriegsdenkmalenthüllung, die Demonstration der Kriegskrüppel und die Straßenschlacht mit faschistischen Schlägern. Er fühlt sich verantwortlich für die Entwicklung Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg. Voll Besorgnis erklärt er 1962, es sei ihm unbegreiflich, dass in der Bundesrepublik Deutschland alte nazistische Verbrecher wieder in führenden Positionen in Wirtschaft, Politik und Justiz tätig sein dürfen, und dass der militaristische Geist immer noch lebendig und gefährlich sei.

1961 veröffentlicht E.M. Remarque seinen Roman „Der Himmel kennt keine Günstlinge“. Die Handlung spielt nach dem 2. Weltkrieg. E.M Remarque berichtet in diesem Roman von der Liebe eines männlich charmanten Rennfahrers und einer schönen unheilbar kranken Frau, die auf den Tod hin lebt und deswegen zur Lebenserfülltheit neigt. Die Stationen dieses Lebens sind ein Luxussanatorium, Schweizer Luxusbars, ein Liebesnest zuerst in einem Pariser Hotel und dann in einem Märchenschloß im italienischen Süden. Dass der Himmel wirklich keine Günstlinge kennt, versteht man aus dem Umstand, dass nicht die todgeweihte Frau, sondern der kerngesunde Rennfahrer aus dem Leben scheidet, denn er verunglückt bei einem Autorennen an der Riviera..

Dem Thema des Antifaschismus ist auch der Roman „Die Nacht von Lissabon" 1962, Film 1971) gewidmet. Am Beispiel der Lebensgeschichte des Antifaschisten Josef Schwarz wird hier das Emigrantendasein geschildert, was zweifellos wieder auf den Einfluß der geschichtlichen Ereignisse zurückzuführen ist. Obwohl auch hier dem Haupthelden die Lebenstüchtigkeit fehlt, entschließt er sich zum Widerstand und zur Aktion gegen den Faschismus. Er ist gebrochen und wird jahrelang gejagt. Er bleibt noch in seiner Einsamkeit, aber er fragt schon wenigstens nach seiner Verantwortung und seiner Mitschuld am Krieg. Seine krebskranke Frau folgt ihm in die Emigration und teilt mit ihm das elende Dasein der flüchtigen Emigranten. Als sich die Frau das Leben nimmt, rettet er sich nicht nach Amerika, sondern er will in die französische Fremdenlegion eintreten, denn für ihn wäre es „ein Verbrechen, ein Leben mit Selbstmord zu verschwenden, das man gegen Barbaren einsetzen kann.“ Auch wenn E.M. Remarque in diesem Roman den Antifaschismus von J. Schwarz auf sein individuelles Liebesdrama reduziert, läßt er ihn handeln. Auch diese Gestalt ist wirklichkeitsecht geschildert.

Mit dem Schauspiel „Die letzte Station" (1956), das Berlins Finale am 30. April und am 1. Mai 1945 zeigt, eroberte E.M. Remarque die Bühne. Den Untergang des Faschismus versuchte er als den Beginn eines neuen menschenwürdigen Lebens hinzustellen. E.M. Remarque stellt auf die Bühne die Soldaten der Roten Armee, die Berlin befreien. Diese siegreichen russischen Soldaten verkörpern den geschichtlichen Fortschritt und fällen das Urteil. Sie geben dem Haupthelden des Stücks, dem geflüchteten KZ-Häftling Ross eine neue Existenzform.

1993 erschienen erstmals in deutscher Sprache 6 frühe Erzählungen E.M. Remarques unter dem Titel „Der Feind“. Die Texte wurden schon 1930/31 in einer amerikanischen Zeitschrift veröffentlicht. Sie tauchten jetzt aus dem Nachlaß E.M. Remarques auf und mussten aus der englischen Übersetzung ins Deutsche zurückübertragen werden, weil die Manuskripte verschollen waren. Für den deutschen Leser waren sie eine Neuheit.

Diese Erzählungen bieten eine bedeutende Ergänzung zur Schilderung des 1. Weltkrieges und seiner Folgen und stehen seinem Weltkriegsroman „Im Westen nichts Neues" sehr nahe. Das sind anrührende und sehr traurige Geschichten und Erinnerungen ehemaliger Kriegsteilnehmer an die Schlachten des 1. Weltkrieges. So ist, z.B., die Erzählung „Schweigen um Verdunein sehr trauriger Bericht über den Tod im Krieg: die Soldaten, die heute noch am Leben bleiben, suchen bei den Gefallenen nach Geld, Gold u.a.m., um morgen selbst tot zu sein.

Erneut bezeugen diese Erzählungen E.M. Remarques pazifistische Haltung und sind ein beeindruckender Appell gegen das Vergessen.

Erich Maria Remarque ist am 25. September 1970 in Locarno gestorben.

E.M. Remarque hat Millionen Leser erreicht, weil seine Bücher von einer übersehbaren gesellschaftskritischen, anklägerischen Tendenz erfüllt sind. Sie haben ihre Stärke in der Darstellung der Schrecken des Krieges, der menschlichen. Not im Faschismus und des Elends der Emigration und der Nachkriegszeit. Aus seinen spannend geschriebenen Büchern, die fast alle zu Bestsellern geworden sind, spricht immer humanitäre Gesinnung.

In den Tiefen seines Nachlasses liegt ein umfangreiches Material – Romane, Erzählungen, Reportagen, Skizzen, Tagebücher, Briefe u.a.m. Zum 100.Geburtstag E.M. Remarques am 22.06.1998 soll eine kommentierende Gesamtausgabe in 16 Bдnden erscheinen. Der Leser kann dann vielleicht nicht nur einen Erfolgsautor, sondern auch einen politischen Publizisten, einen ehrlichen Zeitzeugen und einen interessanten Menschen für neu entdecken.

Der Spiegel“ nennt E.M. Remarque mit Recht „einen der erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftsteller aller Zeiten.“

E.M. Remarques Schaffen fand Anerkennung:

J. – Möser Medaille Osnabrück (1963),

Großes Bundesverdienstkreuz (1967),

Ehrenbürger von Ascona (1968),

Korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtkunst.

Weitere Werke:

„Station am Horizont" (1927/28, Roman).

„Der letzte Akt" (1955, Filmentwurf).

„Das letzte Ufer" (1959, Dialog zum Film).

„Schatten im Paradies" (1971, Roman).

„Geborgtes Leben", ,,Der Feind" (1993, Erzählungen)

Literatur zur weiteren Lektüre.

1 Antkowiak, A. Erich Maria Remarque. Leben und Werk/ A. Antkowiak. – Berlin: Volk und Wissen, 1980. – 157 S.

2 Bernhard, H. J. E.M. Remarques Romane nach dem zweiten Weltkrieg/H.J. Bernhard. – 1973.

3 Eggers, H. Remarques bitteres Vermächtnis/ H. Eggers. – 1971.

4 Autoren-Lexikon deutschsprachiger Literatur des 20. Jahrhunderts. Herausgegeben von Manfred Brauneck. Unter Mitarbeit von Wolfgang Beck. – Hamburg, 1995. – 386 s.

5 Ein Weltbürger aus Osnabrück // Der Spiegel. – 1993. – Nr.8. – S 125.

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